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Bank-Run: Die Angst vor dem Sparer

Dirk Kaufmann13. Juni 2012

Eine Bank verwaltet das Geld ihrer Kunden und mehrt es durch Zinsen. Aber wenn plötzlich alle auf einmal ihr Geld zurück haben wollen, dann gibt es ein Problem: So viel Geld hat keine Bank der Welt.

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Menschen stehen in einer Schlange in einem Gebäude (Foto: picture-alliance/dpa)
Symbolbild Warten auf Leistung MenschenschlangeBild: picture-alliance/dpa

Am 14. September 2007 bekamen die Angestellten der englischen Bank Northern Rock unerwartet viel zu tun: Vor den Türen hatten sich lange Schlangen von Sparern gebildet, die alle nur eines im Sinn hatten: Sie wollten ihr Geld zurück. Am folgenden Montag kamen sogar noch mehr Kunden, die Schalterstunden mussten verlängert werden. Rund zwei Milliarden Pfund zahlten die Angestellten ihren Kunden aus, dann waren die Tresore leer, die Bank war am Ende.

Auch eine Garantie-Erklärung der Regierung in London hatte die Bankkunden nicht beruhigen können. Sie wollten ihr Geld nicht länger einer Bank anvertrauen, die Liquiditätsprobleme hatte. In der Folge wurde das Geldhaus verstaatlicht, die für den Crash verantwortliche Wertpapierabteilung wurde abgewickelt. Erst vier Jahre später fand sich ein Käufer für das gescheiterte Unternehmen.

Versprechungen

Nach der Lehman-Pleite versprachen Angela Merkel und ihr Finanzminister Per Steinbrück 2008 den Deutschen, das werde hier nicht passieren: ihr Erspartes sei auf jeden Fall sicher. Die Sparer könnten beruhigt abwarten, was geschehen würde, sie sollten jedenfalls nicht zur Bank laufen und ihr Geld zurückverlangen.

Wie das im Ernstfall bewerkstelligt werden sollte, haben Merkel und Steinbrück aber nicht gesagt. Das wäre allerdings interessant gewesen, denn die Deutschen haben eine ganze Menge gespart: Im vergangenen Jahr haben sich die privaten Spareinlagen auf 626 Milliarden Euro summiert. Dennoch: Der CSU-Politiker und Bundesminister Peter Ramsauer wiederholte in diesen Tagen trotzdem wieder das Mantra der deutschen Geldpolitik: "Die Spareinlagen sind sicher."

Angst vor der Panik

Das eigentliche Problem bei einem Bank-Run ist nicht, dass die Sparer ihr Geld zurück wollen, das Problem ist: Sie wollen es alle zur selben Zeit. Und so viel Geld kann keine Bank im Tresor liegen haben, dass sie alle Ansprüche sofort befriedigen kann. Dirk Schiereck, Wirtschaftswissenschaftler an der TU Darmstadt, nennt im Gespräch mit der DW den Grund dafür: "Eine Bank gibt langfristige Kredite aus und refinanziert sie durch kurzfristige Spareinlagen. Das bedeutet: Wenn die Leute ihre Einlagen abziehen, entsteht eine Refinanzierungslücke für die Bank."

Politiker Peter Ramsauer ist, wie er selbst sagt, gelernter Kaufmann. Und als solcher weiß er: "Zwischen den wirtschaftlichen Realitäten und der Psychologie ist immer ein kleiner Unterschied." Psychologie im Falle eines Banken-Runs heißt: Der Bankkunde wird selbst zum Teil des Problems, unter dem er leidet. Natürlich weiß jeder aufgeklärte Sparer, dass die Bank ihm nicht ohne weiteres sein Guthaben sofort auszahlen kann, aber er versucht es trotzdem. Er hat Angst, dass es sonst verloren ist. Aber je mehr Menschen dasselbe tun, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ihr Geld gerade jetzt eben nicht zurückbekommen.

Das Unglück kommt - aber wann?

Banken-Runs hat es immer wieder gegeben: Nach dem "Schwarzen Donnerstag" 1929 an der Wall Street oder im Falle der argentinischen Staatspleite 2001. Sieben Jahre später auch in der Schweiz: 2008 musste die UBS innerhalb kurzer Zeit 25 Milliarden Schweizer Franken auszahlen - Staat und Zentralbank mussten eingreifen, um die Bank zu retten. Griechenland erlebt gerade eine Art schleichenden Bank-Run. Denn die Sparer verlangen aus Angst vor dem Grexit, dem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, ihre Einlagen zurück, was sich nach offiziellen Angaben auf 100 bis 500 Millionen Euro täglich summiert.

Nach den diversen Bankenkrisen der vergangenen Jahre und angesichts des Staatsschulden-Tohuwabohus in Europa ist, trotz aller Versprechen der Politik, ein Bank-Run auch in Deutschland nicht ausgeschlossen. Hans-Peter Burghof, Bankenexperte an der Uni Hohenheim, ist sicher, "dass die Gefahr da ist. Aber wann sie zuschlägt, das weiß man nicht".

Kleine Ursache - verheerende Wirkung

Sind Anleger und Sparer einmal verunsichert, genügt nur ein kleiner, marginal erscheinender Auslöser, um einen Banken-Run auszulösen. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, könnte die Pleite eines großen Unternehmens sein oder ein unerwarteter Konjunktureinbruch. Dann, so Hans-Peter Burghof, könnte ein Funken das Pulverfass zur Explosion bringen: "Irgendein Politiker sagt etwas Ungeschicktes, und schon ist es passiert."

Dann würden wir sehen: Sind die Einlagen der Sparer wirklich sicher? Ist es auch nur denkbar, dass die Regierung für deutsche Einlagen von Höhe von 626 Milliarden Euro geradestehen kann? Was geschieht mit meinem gesparten Geld, wenn die Regierung die Geldmaschine anwirft, neue Scheine druckt und die Schulden einfach "weginflationiert"? Dann wäre mein Geld zwar noch da – aber es wäre nichts mehr wert.

Wenn sich im Fall eines Bank-Runs lange Schlangen verunsicherter und erboster Sparer vor den Schaltern bilden, könnte ein Szenario Wirklichkeit werden, das der Bankenexperte Burghof beschreibt. Dann könnten die Bankschalter einfach geschlossen werden, damit niemand mehr Geld abheben kann. "Danach würde man das lockern und sagen: Jeder kann jetzt pro Woche hundert Euro abheben, damit er davon leben kann."