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Gemeinsam aus der Krise

Christoph Hasselbach13. Juni 2012

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verlangt vor dem Europaparlament nationalen Souveränitätsverzicht, um die Krise zu beherrschen. Doch in den EU-Mitgliedsstaaten stößt er bislang auf taube Ohren.

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Barroso am Rednerpult im Parlament (Foto: Reuters)
Barroso Europaparlament Debatte vor EU GipfelBild: Reuters

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso drückt aufs Tempo. Die EU befinde sich in einem "entscheidenden Augenblick" der Krisenbewältigung. Mit Blick auf die hohe Arbeitslosigkeit sprach er von einem "sozialen Notstand". Nötig seien sowohl Sofortmaßnahmen als auch längerfristige Schritte. Barroso sprach sich nachdrücklich für eine Fiskal- und eine Bankenunion aus. Doch viele Regierungen sperren sich gegen beides. Eine Fiskalunion würde bedeuten, dass die Mitgliedsstaaten neue Schulden nicht mehr eigenständig aufnehmen könnten. Ihre Souveränität wäre damit stark eingeschränkt, das stößt auf entsprechenden Widerstand nationaler Parlamente. Mit einer Bankenunion wäre zum Beispiel eine gesamteuropäische Einlagensicherung verbunden. Das lehnt etwa Deutschland ab, weil es sich gegen noch mehr Haftung für schwache Banken und Staaten wehrt. Barroso redete den zögernden Regierungen ins Gewissen: "Ich bin mir nicht sicher, ob die Dringlichkeit dieser Frage in allen Hauptstädten gesehen wird."

Mehr Europa in allen Bereichen

Barrosos großes Thema ist mehr europäische Integration, um die Krise zu lösen. Im Moment sieht er aber eher das Gegenteil, auch beim Thema Schengen, dem grenzkontrollfreien Personenverkehr innerhalb der EU. Die EU-Innenminister hatten vor wenigen Tagen beschlossen, ihre Grenzen weitgehend eigenmächtig wieder kontrollieren zu können, wenn sie die öffentliche Ordnung bedroht sehen, zum Beispiel durch Flüchtlingsströme. Barroso sagte, er bedauere die Entscheidung "zutiefst": "Das ist das falsche Signal zum falschen Zeitpunkt in einem Kernbereich Europas", rief er unter großem Applaus. Es war nicht zuletzt der deutsche CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich, der sich für die letztlich national bestimmte Schengen-Regelung starkgemacht hatte.

Innenminister Friedrich gestikuliert (Foto: picture-alliance/dpa)
Innenminister Friedrich: national bestimmte LösungBild: picture-alliance/dpa

Seine Parteifreunde im Straßburger Europaparlament sehen vieles anders. Mehr Europa in allen Bereichen, sei es bei Schengen, sei es bei der Bekämpfung der Schuldenkrise, das ist auch die Meinung von Joseph Daul, dem Fraktionsvorsitzenden der konservativen Volkspartei. Daul fragte rhetorisch, ob die EU den Mut aufbringen werde, "eine geteilte politische Souveränität zu verteidigen und zu organisieren, oder gehen wir, so wie seit zwei Jahren, weiter von einem Krisengipfel zum nächsten und lassen uns unsere Gesetze, unsere Politik, unsere gesellschaftlichen Optionen von den Finanzmärkten und Banken vorschreiben?"

Gemeinsame Haftung ohne Souveränitätsverzicht?

Worin geteilte Souveränität besteht, das wusste der spanische Sozialist Enrique Guerrero Salom ganz genau zu bennen. "Um zu wachsen, brauchen wir einen Schuldentilgungsfonds,  Eurobonds, mehr Beteiligung der Europäischen Investitionsbank, mehr Aktivität der Europäischen Zentralbank." Bezeichnenderweise kam die Wunschliste vom Abgeordneten eines Landes, dessen Banken gerade eine Hilfszusage von bis zu 100 Milliarden Euro bekommen haben. Die Bundesregierung in Berlin, aber auch viele Europaabgeordnete, sehen die Forderungen sehr kritisch. Sie glauben, ohne gleichzeitige Ausgabendisziplin und Reformen werde das alles nur auf Transferleistungen von den soliden zu den unsoliden Staaten hinauslaufen. Sie werden sich auch von den jüngsten Meldungen aus Griechenland kurz vor der Wahl bestätigt sehen: Dort glaubt sich Antonis Samaras, der Chef der konservativen Nea Dimokratia und mögliche Wahlsieger, stark genug, das Hilfsprogramm für Griechenland nachverhandeln zu können. Dabei hat Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble bereits gesagt, er glaube nicht, dass Griechenland die bisherigen Auflagen erfülle.

Samaras steigt aus dem Auto (Foto: Reuters)
Nea-Dimokratia-Chef Samaras: neue BedingungenBild: Reuters

Kaum Entlastung für Spanien durch die geplante Bankenhilfe

Abgeordenete verschiedener Parteien griffen auch die traurige Tatsache auf, dass trotz des europäischen Hilfsangebots für die spanischen Banken die Risikoprämien für spanische Staatsanleihen schon wieder stark gestiegen sind. Für den britischen Konservativen Martin Callanan ist das der Beweis, dass die gesamte Euro-Rettungsstrategie gescheitert ist: "Sie bringen mehr Zentralisierung über sich bei dem immer verzweifelteren Versuch, der Krise Herr zu werden, bei dem Sie aber versagt haben." Für Callanan und die britischen Euroskeptiker war die Währungsunion von Anfang an auf Sand gebaut. Doch Schadenfreude kommt auch bei ihnen nicht auf. Denn selbst Länder, die außerhalb des Euro geblieben sind, bekommen die  Turbulenzen deutlich zu spüren.