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Barrosos Machtworte

Bernd Riegert, z.Zt. Straßburg 21. Juli 2004

Der designierte EU-Kommissionspräsident Barroso hat klargestellt, dass es keinen Superkommissar für ein Ressort geben wird - eine herbe Niederlage für Deutschlands Kanzler Schröder. Aber noch ist Barroso nicht im Amt.

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Jose Manuel Barroso: Hat er ein Programm?Bild: AP

José Manuel Barroso versprach in seiner Rede vor den Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg, dass er ein Brückenbauer zwischen alten und neuen Mitgliedern der Union sein will. "Ich werde nicht der Präsident der einen gegen die andere europäische Partei sein", versprach er. Er wolle arme und reiche, kleine und große Mitgliedsstaaten zusammenführen, sagte er einen Tag vor der Abstimmung über seine Kandidatur.

Koordiniertes Abstimmungsverhalten?

Das Europäische Parlament muss dem von den EU Staats- und Regierungschefs nominierten Kommissionschef noch seine Zustimmung erteilen. Er braucht die Mehrheit der 732 Abgeordneten für seine Bestätigung. Barroso wird von der größten Fraktion, der christdemokratischen EVP-ED, unterstützt. Bislang haben sich jedoch nur die Konservativen (268 Sitze) klar für ihn ausgesprochen. Aber auch aus den Reihen der Sozialdemokraten (200 Sitze) und der Liberalen (88) wird mit zahlreichen Stimmen für den Spanier gerechnet.

Er braucht aber auch Stimmen der Sozialisten, die weiterhin skeptisch sind. Der Vorsitzende der Sozialisten, Martin Schulz, bestritt erneut einen Kuhhandel mit den Konservativen. Erst am 20. Juli hatten die beiden größten Fraktionen gemeinsam den Sozialisten Josep Borrell zum Parlamentspräsidenten gewählt. Gegenleistung dafür könnte jetzt eigentlich nur sein, dass die Sozialisten die Wahl des Koservativen Barroso unterstützen.

Führung mit harter Hand

Der portugiesische Politiker, auf den sich die Staats- und Regierungschefs nach langem Streit zwischen rechten und linken Regierungen auf einem Sondergipfeltreffen geeinigt hatten, legt großen Wert auf die Unabhängigkeit der künftigen EU-Kommission. Er allein werde das Team führen und aussuchen, so Barroso. Je ein Vertreter pro Mitgliedsland wird nominiert werden. Und: "Es wird in einer Kommission, die ich führe, keine Kommissare erster oder zweiter Ordnung geben."

Damit erteilte Jose Barroso deutschen Vorstellungen eine Absage, es solle einen "Superkommissar" für Wirtschaftsfragen geben, der bisherige Ressorts bündelt. Dieser Superkommissar hätte nach den Vorstellungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder eigentlich Günter Verheugen heißen sollen - für den derzeitigen EU-Erweiterungskommissar wird ein neuer Job gesucht. Inzwischen haben aber bereits Frankreich und Tschechien Anspruch auf Teile des Wirtschaftsressorts erhoben.

Sollte Barroso gewählt werden, muss er bis zum November eine Kommission zusammenstellen. Ein Vertrauter Barroso kündigte an, der ehemalige Regierungschefs werde die Spitze der europäischen Verwaltung mit strenger Hand führen, anders als sein Vorgänger Romani Prodi, der eher durch seinen pastoralen Führungsstil auffiel.

Gibt es ein Programm?

Der grüne Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit warf Barroso vor, er habe hauptsächlich schöne europäische Phrasen zu bieten und keine Probleme angesprochen. Seine wundersame selbstbehauptete Wandlung vom Konservativen zum Mann der Mitte sei wenig glaubhaft. Cohn-Bendit hielt dem gequält lächelnden Barroso vor, er sei nur die zweite Wahl des Europäischen Rates, eine Art Ersatzreifen. Das Parlament solle Barroso ablehnen, um dem Staats- und Regierungchefs zu zeigen, dass es nicht einfach alles abnicke. "Wir sind nicht einfach nur der Teppich, auf dem man sein Füße abstreifen kann", wurde Cohn-Bendit mehr als deutlich.