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Bauhaus und Favela

Soraia Vilela1. April 2003

Im März 2000 startete die Stiftung Bauhaus Dessau das Projekt "Célula Urbana" - urbane Zelle - in Brasilien. Jetzt ist die Urbanisierung der brasilianischen Armenviertel Thema einer Ausstellung in Berlin.

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Slum in Rio de JaneiroBild: UNESCO

Das Projekt "Célula Urbana" (urbane Zelle) beleuchtet die schützenswerten Eigenschaften der Slums. Die Bezeichnung "chaotisches Elendsviertel" ist allzu plakativ, meint Omar Akbar, Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau. Für ihn zeigt sich "die große urbane Qualität" in der Mischstruktur aus Dienstleistungen, kleinen Handwerksbetrieben und Wohnen. Nicht nur die städtebauliche Organisation sei schützenswert, sondern auch die Art, wie die Favelas - die brasilianischen Armenviertel - genutzt werden. Die organische Struktur und die Lebendigkeit auf der Straße seien eine besondere Art des Zusammenseins.

Grundlage für Lebensperspektive

Favela (Innen)
Favela in RioBild: AP

"Das findet man in Europa in dieser Form nicht mehr", analysiert der Architekt Rainer Weisbach, der am Projekt mitgearbeitet hat. Die engen Gassen, die von der brasilianischen Mittel- und Oberschicht mit Verachtung angeschaut werden, sind für die Experten das besondere Merkmal der Favelas. "Die erste Assoziation, die ich hatte, als ich dort war, war eine mittelalterliche Stadt - wie in Italien, Spanien, auf dem Balkan oder sonst wo - die man schützen würde", sagt Weisbach.

Das Modellprojekt "Célula Urbana" soll eine besondere Art der urbanen Entwicklung fördern. Die in der Favela gewachsenen räumlich-sozialen Strukturen, sowie die Architektur an sich werden als etwas Entwicklungsfähiges anerkannt. Sie dienen als Grundlage für städtebauliche Planungen, die die individuellen Lebensperspektiven der Bewohner berücksichtigen.

Werkstattprinzip

Bauhaus-Projekt in Rio de Janeiro
Projekt "Célula Urbana" der Stiftung Bauhaus DessauBild: Dietmar Starke/

Vor allem geht es darum, nachhaltige und eigendynamische Prozesse in den Elendsvierteln zu initiieren. Durch kulturellen, technologischen und wirtschaftlichen Austausch mit dem städtischen Umfeld sollen die brasilianischen Favela-Gebiete ihren schlechten Ruf verlieren. Das Vorbild dafür ist das klassische Werkstattprinzip des Bauhauses: Fähigkeiten und Wissen werden mit den Bedingungen und Traditionen vor Ort in Austausch gebracht.

Bauhaus-Direktor Akbar beschreibt Brasilien gegenüber DW-WORLD als ein Labor für junge Architekten, und verteidigt die Vorteile des fremden Blickes für die urbane Entwicklung. "Wenn man in Brasilien durch die Strassen geht, hat man das Art déco der 40er Jahre, die Moderne, die Architektur Oscar Niemeyers, unmittelbar daneben die Postmoderne."

Das Bauhaus und die soziale Frage

In der Berliner Ausstellung werden Bilder und Filmaufnahmen über das Projekt der Bauhaus-Stiftung präsentiert. Parallel dazu gibt es ein Colloquium zum Thema "Favela". Ein großes Thema, meint Akbar. Schließlich leben 1,5 Milliarden Menschen in dieser Form von Quartieren. Er findet es sehr wichtig, dass auch große bekannte Institutionen sich nicht nur mit der edlen Seite der Architektur beschäftigen.

Die Architekten und Stadtplaner hätten eine soziale Verantwortung. Gerade auch die Stiftung Bauhaus Dessau, weil die soziale Frage immer eine große Rolle für das historische Bauhaus gespielt habe. Beide Linien - die historische und die aktuelle - müssten parallel laufen und sich punktuell ergänzen, denn: "Wenn das Bauhaus nicht zu seinen Wurzeln zurückkommt, hat die Stiftung keine Legitimität", sagt Bauhaus-Direktor Akbar.

Die Ausstellung "Rio de Janeiro - Célula Urbana" ist vom 2. bis 15. April 2003 in der brasilianischen Botschaft in Berlin zu sehen.