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Senior-Experten bei Bayer

Klaus Ulrich20. Juni 2013

Vorruhestand war gestern: Unternehmen verlängern das Erwerbsleben ihrer Mitarbeiter so gut es geht. Der Bayer-Konzern setzt sogar auf seine Pensionäre - als Senior-Experten für spezielle Projekte.

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Belastungsreduzierung für ältere Beschäftigte bei Bayer: Schichtarbeiter Herbert Sonnabend (rechts) leistet weniger Arbeitsstunden, dafür wird sein junger Kollege Taner Ceyhan nach abgeschlossener Ausbildung fest eingestellt (Foto: Bayer AG)
Bayer AG, Senior-Experten-ServiceBild: Bayer AG

Gut 30 Jahre lang hat sich Helmut Schacke für die Bayer AG in leitender Position mit Fragen der Anlagen- und Verfahrenssicherheit beschäftigt. 2007 ging er in den wohlverdienten Ruhestand. Doch den unterbricht der mittlerweile 67jährige seit einiger Zeit ab und zu, um bei zeitlich begrenzten Projekten wieder für seinen alten Arbeitgeber aktiv zu werden.

"Also für mich bedeutet diese Arbeit sehr viel. Sie ist immer noch eine kleine Herausforderung", sagt Schacke im Gespräch mit der DW. Das finde er nach der Pensionierung gar nicht so schlecht. Sich ab und an wieder mit theoretischen und praktischen Problemen des früheren Fachgebietes zu beschäftigen halte "frisch im Kopf". Hinzu komme der Kontakt mit den ehemaligen Arbeitskollegen. "Das hat mir ehrlich gesagt etwas gefehlt, nachdem ich pensioniert war", schwärmt Schacke über seinen Teilzeit-Job als Senior-Experte.

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Positive Rückmeldungen

Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer gehört mit weltweit rund 110.000 Beschäftigten zu den größten deutschen Unternehmen. Um das wertvolle Know-how erfahrener Mitarbeiter auch über individuelle Ruhestandsgrenzen hinaus zu erhalten, gründeten die Leverkusener vor einiger Zeit das Bayer Senior-Experten Netzwerk - kurz: BaySEN. "Für uns bringt das Projekt einen tatsächlichen Mehrwert", sagt Michael Taschke, Leiter von BaySEN bei der Bayer AG. "Wir sind jetzt seit Ende 2011 mit dem Thema unterwegs und haben - wenn ich jetzt mal die Zeit zurückspule - rund 100 Experten im Einsatz gehabt bis heute und durchweg sehr positive Resonanzen dazu bekommen."

Der Pflanzenschutz war drei Jahrzehnte das Fachgebiet von Alfred Elbert. Nach seiner Pensionierung vor drei Jahren hatte sich der 63jährige eigentlich davon verabschiedet. Doch als vor einigen Monaten die Anfrage kam, ob er bei Entwicklungsarbeiten für neue Pflanzenschutzmittel in Lateinamerika mitmachen wollte, zögerte er nicht lange. Seitdem war Alfred Elbert bereits zweimal in Brasilien.

Senior-Experten der Bayer AG Dr. Alfred Elbert (Foto: Klaus Ulrich, dw) DW/Klaus Ulrich
Pflanzenschutz-Experte Dr. Alfred ElbertBild: DW/K. Ulrich

Entspanntes Arbeiten

"Früher hat die Arbeit Spaß gemacht und war interessant. Aber es war eben auch sehr anstrengend und hat einen täglich von morgens bis abends in Anspruch genommen", so Elbert. Als Senior-Experte arbeite er dagegen "übers ganze Jahr verteilt an einem Projekt" und habe mehr Freiheiten in der der Planung und Durchführung der einzelnen Reisen. "Das Ganze ist vom zeitlichen Aufwand auch sehr viel geringer."

Mehr als 230 Bayer-Pensionäre gehören mittlerweile dem Senioren-Netzwerk an. Ihre Einsätze haben Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertreter in einer Vereinbarung geregelt. Darin betonen beide Seiten, dass es eben nicht darum gehe, flexiblere Personaleinsätze zu ermöglichen oder freie Stellen im Unternehmen einzusparen. Auch nehme die Vergütung bei den durchschnittlich auf zwei bis drei Wochen befristeten Verträgen mit den Senioren nicht den ersten Stellenwert ein.

Win-win-Situation

Angestrebt wird dagegen eine Win-win-Situation: Das Unternehmen profitiert vom reichhaltigen Erfahrungsschatz der Senior-Experten. Die ehemaligen Mitarbeiter genießen, dass sie wieder gefragt sind - und auch nach einem jahrzehntelangen Erwerbsleben noch lange nicht zum alten Eisen gehören.

Senior-Experten der Bayer AG Rudolf Uchdorf (Foto: Klaus Ulrich, dw) DW/Klaus Ulrich
Chemieingenieur Rudolf UchdorfBild: DW/K. Ulrich

"40 Jahre kann man nicht einfach so wegstecken und dann von hundert auf null schalten", sagt Rudolf Uchdorf. Er hat früher Anlagen für die Produktion von Kunststoffen auf fast allen Kontinenten geleitet und ist seit einiger Zeit wieder als Senior-Experte unterwegs. "Ich habe durchaus Ideen, was ich mit meiner Freizeit anfangen kann", sagt der 65jährige Chemieingenieur.

Schneller Entschluss

Aber dann verlangten die früheren Kollegen, die er seit vielen Jahren kennt und mit denen er teilweise auch befreundet ist, nach seiner Expertise. Und der Entschluss, wieder aktiv zu werden, stand sehr schnell fest. "Wenn ich gefragt werde, ob ich noch mal aushelfen kann, mache ich das sehr gerne", so Uchdorf. Nach seiner Pensionierung vor einigen Monaten war er bereits wieder sechs Wochen in Texas, um am dortigen Bayer-Standort Wartungsarbeiten zu beaufsichtigen.

Sein Pensionärs-Kollege Helmut Schacke betont noch einen ganz anderen Aspekt der Tätigkeit als Senior-Experte: Natürlich sei er daran interessiert, dass es nicht nur ihm selbst, sondern auch der Firma gut gehe, "schließlich haben die ja noch ein bisschen Altersvorsorge für mich zu betreiben". Und insofern könne es nur von Nutzen sein, wenn er sich als Senior-Experte wohlfühle. "Mir macht es Spaß - und wenn Bayer auch noch etwas davon hat, ist das ja umso besser."