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22. Januar 2009

Der Verkauf der historischen Zeitschriftenedition "Zeitungszeugen", in der auch NS-Blätter nachgedruckt werden, sorgt weiter für juristischen Wirbel. Das bayerische Finanzministerium stellt Strafantrag gegen den Verlag.

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Die neueste Ausgabe von "Zeitungszeugen" mit den nachgedruckten historischen Zeitungen zum Thema Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933
Die neueste Ausgabe von "Zeitungszeugen" mit den nachgedruckten historischen Zeitungen zum Thema Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933Bild: picture-alliance/ dpa

Auf den ersten Blick ist es ungewöhnlich, dass das bayerische Finanzministerium juristisch gegen das umstrittene Projekt "Zeitungszeugen" vorgeht. Aber das Ministerium verwaltet die beim Freistaat Bayern liegenden Rechte des Eher-Verlags, bei dem in der Nazi-Zeit unter anderem die NS-Kampfblätter "Völkischer Beobachter und "Der Angriff" erschienen. Bayern begründet die Klage also urheberrechtlich. Außerdem soll aber auch zivilrechtlich gegen den britischen Verlag Albertas Limitas vorgegangen werden, "um künftige Nachdrucke der NS-Hetzpresse" zu verhindern. Die bayerische Landesregierung meint, dass Komplettnachdrucke eine nicht zu akzeptierende Missbrauchsgefahr darstellten. Das Finanzministerium hatte bereits Ende vergangener Woche untersagt, im Rahmen der "Zeitungszeugen" nationalsozialistische Zeitungen zu veröffentlichen. Die im Handel befindlichen Exemplare sollten zurückgezogen werden. Aber dies gelang nicht. An diesem Donnerstag (22.01. 2009) erschien das Zeitungsprojekt bereits zum zweiten Mal.

Nicht nur NS-Blätter werden nachgedruckt

Was ist der Stein des Anstoßes? Die erste Ausgabe der "Zeitungszeugen", die deutschsprachige Zeitungen von 1933 bis 1945 als Nachdruck veröffentlicht, enthielt Ausgaben der deutsch-nationalen Zeitung "Deutsche Allgemeine Zeitung", des kommunistischen "Kämpfers" und des "Angriffs". Herausgeber der Sammlung, die deutschsprachige Zeitungen von 1933 bis 1945 als Nachdruck veröffentlicht, ist der britische Verleger Peter McGee. Zu den wissenschaftlichen Beratern des Blatts gehören unter anderem der Historiker Hans Mommsen sowie Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Jede Ausgabe soll Reproduktionen von zwei bis drei historischen Zeitungsausgaben enthalten, sowie einen Mantel mit Kommentaren und Analysen. Ähnliche Ausgaben hat das britische Verlagshaus bereits in anderen Ländern auf den Markt gebracht.

Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung berät die "Zeitungszeugen"
Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung berät die "Zeitungszeugen"Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

 

Die Macher wollen nach eigenen Angaben einen umfassenden Blick auf die damalige Medienlandschaft ermöglichen. Im Impressum ist nachzulesen, dass sich die Herausgeber von den Inhalten der nationalsozialistischen Zeitungen distanzieren. "Zeitungszeugen"-Chef-Redakteurin Sandra Paweronschitz betonte, das Projekt werde nicht aufgegeben. Man werde abwarten, wie die Gerichte entscheiden. Für die nächste Ausgabe sei wieder ein Nachdruck des Goebbels-Blattes "Der Angriff" geplant. Auch diese Ausgabe will der Freistaat Bayern verhindern.

Unterstützung der Klage durch den Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden in Deutschland unterstützt die rechtlichen Schritte gegen das Projekt "Zeitungszeugen". Deutschland brauche keine "Kopiervorlagen für Nachwuchsnazis an jedem Zeitungskiosk", sagte Generalsekretär Stephan Kramer in Berlin. Das Ziel der politischen Bildung sei bei der vorliegenden Ausgabe der Zeitung nicht erfüllt, so Kramer weiter. Denn es handele sich nicht um eine kommentierte Ausgabe der Originalzeitungen, sondern komplette Nachdrucke, die lediglich von einem Mantel mit aufklärerischen Hintergrundinformationen umgeben seien. Er könne sich des Verdachts nicht erwehren, dass hier nach der Methode "Hitler sells" kommerziellen Interessen Vorrang vor fundierter Aufklärung eingeräumt werde. (la)