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Tony Sheridan tot

Gavin Blackburn/ suc 18. Februar 2013

Er war der erste, der die spätere Kultband zu Aufnahmen ins Studio holte, und er beeinflusste sie in ihren Anfangsjahren maßgeblich. Der britische Songwriter und Gitarrist starb am 16. Februar im Alter von 72 Jahren.

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Tony Sheridan im Portrait (Foto: picture-alliance / dpa)
Bild: picture-alliance / dpa

Die Zusammenarbeit mit den Beatles in den frühen 1960er Jahren machte ihn bekannt. Auf Sheridans Facebook-Seite informierte seine Familie darüber, dass der Musiker in Hamburg gestorben sei: "Unser geliebter Vater und Freund! Danke für deine Liebe und Inspiration", hieß es dort. "Du hast uns um Mitternacht verlassen."

Tony Sheridan kam am 21. Mai 1940 im englischen Städtchen Norwich zur Welt. Seine Eltern tauften ihn auf den Namen Esmond Sheridan McGinnity. Im zarten Alter von sieben konnte er schon Geige spielen - aber Mitte der 50er Jahre verfiel er dem Rock'n Roll und legte sich eine elektrische Gitarre zu. 1956 gründete er seine erste eigene Band "The Saints".

Gelungener Karrierestart

Schon ein Jahr später buchten Londoner Clubs den jungen Gitarristen, und in der Fernsehshow "Oh Boy" bei der BBC durfte er als erster Musiker mit einer E-Gitarre live im Fernsehen auftreten. Sheridan erspielte sich schnell einen hervorragenden Ruf als hochtalentierter Gitarrist und begleitete so legendäre Rockmusiker wie Gene Vincent und Conway Twitty auf ihren USA-Tourneen.

Anfang der 60er Jahre tourte Sheridan durch Großbritannien - gemeinsam mit Gene Vincent und Eddie Cochrane. Die beiden längst etablierten Rock'n'Roll-Stars weigerten sich, Sheridan zum nächsten Auftrittsort mitzunehmen. Der unfeine Zug der Kollegen erwies sich im Nachhinein als Glücksfall: Das Auto verunglückte, Cochrane starb und Vincent wurde schwer verletzt.

Die frühe Formation der Beatles, aufgenommen Anfang der 60-er Jahre (l-r): Peter Best, George Harrison, John Lennon, Paul McCartney und Stuart "Stu" Sutcliffe (Foto:picture-alliance / dpa)
Fast zwei Jahre lang spielten die Beatles in Hamburger ClubsBild: picture-alliance/dpa

Trotz viel versprechender Anfänge auf der Karriereleiter litt Sheridans Ruf in Großbritannien zunehmend, weil er ständig zu spät kaum und zu Auftritten oft ohne seine Gitarre erschien. Als ihn der deutsche Clubbesitzer Bruno Koschmider unter Vertrag nahm, sollte seine Karriere eine neue Richtung einschlagen. Er brach mit seiner Band "The Jets" nach Hamburg auf, um dort auf der Reeperbahn einige Gigs zu spielen. Während seine Mitstreiter nach erfolgreich absolviertem Engagement nach England zurückkehrten, beschloss Sheridan, in Deutschland zu bleiben.

Lehrer für Paul McCartney und Co

Ein Glück für den jungen Gitarristen, denn Clubbesitzer Koschmider hatte gerade eine junge unbekannte Band engagiert, die drei Monate lang im Indra-Club antreten sollte: die Beatles. Die vier jungen Liverpooler waren mehr als glücklich, ihr Handwerk bei einem erfahrenen Gitarristen wie Sheridan abschauen zu können. Besonders der junge George Harrison ließ keine Gelegenheit aus, endlos mit Tony zu proben und sein Gitarrenspiel zu verbessern. Die Beziehung der fünf wurde nahezu symbiotisch: Wenn Sheridan auf der Bühne stand, unterstützen ihn die Beatles musikalisch; umgekehrt spielte er oft bei ihren Gigs mit.

Während einer dieser Auftritte entdeckte der deutsche Musikproduzent und Polydor-Kämpe Bert Kaempfert das kommerzielle Potenzial der Formation. Allerdings hatte er Tony Sheridan für eine Starlaufbahn im Blick, die Beatles sollten als Background Band weiter im Hintergrund agieren. Im Juni 1961 ging man gemeinsam für zwei Tage ins Studio und nahm sieben Songs auf. Die Single "My Bonnie", ein Gemeinschaftswerk von Tony Sheridan und den "Beat Brothers", schaffte es auf Platz 5 der deutschen Hitparade. Heute gehört die Aufnahme zu den gesuchtesten Beatles-Devotionalien überhaupt und wohl zu den teuersten 45er-Scheiben aller Zeiten. Noch 2007 ging eine der raren Vinyl-Platten in einer Auktion für rund 11.300 Euro über den Ladentisch.

Die Single "My Bonnie" (@gemeinfrei)
Die Single "My Bonnie" ist begehrtes SammlerobjektBild: gemeinfrei

Neue Ufer

Mitte der 60er Jahre änderte Tony Sheridan seinen Musikstil. Seine Aufnahmen aus dieser Zeit zeigten sich plötzlich blues- und jazzoriertiert, was viele seiner Rock'n'Roll-Fans abschreckte. Ziemlich desillusioniert davon, dass er seine Bekanntheit vor allem seiner Zusammenarbeit mit den Beatles verdankte, ging Sheridan 1967 nach Vietnam und spielte dort vor den US-amerikanischen Truppen. Immerhin brachte ihm das den Titel "Ehrenkapitän der US Army" ein.

Anfang der 1970er schließlich moderierte er im Norddeutschen Rundfunk eine recht erfolgreiche Blues-Radiosendung. Als der legendäre "Star Club", wo Sheridan einst mit den Beatles auf der Bühne gestanden hatte, 1978 wieder seine Pforten öffnete, ließ der Gitarrist es sich nicht nehmen, nochmals hier aufzutreten.

Tony Sheridan, Live, November 2004 (Foto: cc-by-3.0/Onemore)
Tony Sheridan 2004 auf der BühneBild: cc-by-3.0/Onemore

Tony Sheridan lebte in dem beschaulichen schleswig-holsteinischen Dorf Seestermühe nördlich von Hamburg. Hier komponierte er nicht nur, sondern entwarf auch Wappen. Als Musiker kam er das letzte Mal 2008 auf einem Album von Dave Humphries aus dem Jahr 2008 zum Einsatz; er ist auf fünf der insgesamt elf Tracks zu hören.

Im Schatten der Kultband

Obwohl Sheridan als renommierter Musiker viel erreicht hat, wird sein Name immer in einem Atemzug mit den Beatles genannt werden. Seine enge Beziehung zu den vier Jungs aus Liverpool sichert ihm für immer einen Platz in allen musikalischen Nachschlagewerken. Weil Sheridan die Beatles in ihren Anfangsjahren so maßgeblich prägte, nannte Paul McCartney ihn bis in die heutige Zeit immer wieder seinen "Lehrer".

Tony Sheridan mit der Band "The Big Six" Mitte der 60er Jahre (Foto: picture-alliance / dpa)
Tony Sheridan mit seiner Band "The Big Six" in den 60er JahrenBild: picture-alliance / dpa

Tony Sheridan verstarb am 16. Februar nach langer Krankheit. Ted "Kingsize" Taylor, einer von Sheridans Wegbegleitern aus der Hamburger Club-Szene, schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Tony konnte immer ein helles Licht am Ende des dunklen Weges sehen - jetzt hat er dieses helle Licht selbst erreicht. Möge er in ewigem Frieden ruhen."