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"Bedingt abwehrbereit"

12. November 2002

– Kritische Berichte einiger US-Zeitungen über die Verteidigungsfähigkeit der ungarischen Armee

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Budapest, 11.11.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Dénes Vajta

Kritische Berichte in der US-Zeitschrift "Foreign Affairs" und der "Washington Post" zur Verteidigungsfähigkeit der ungarischen Armee haben vergangene Woche heftige innenpolitische Diskussionen ausgelöst. Verteidigungsminister Ferenc Juhász hatte in einem Interview mit der Washington Post die Kritik nicht nur bestätigt, sondern behauptet, dass mangels grundlegender militärischer Fähigkeiten Ungarn nicht einmal von seinen Bundesgenossen in der NATO beschützt werden könnte. Die Opposition wies die Kritik zurück.

Ferenc Juhász zufolge besitze das ungarische Heer nicht nur zu wenige Waffen. Auch die Struktur und Qualität der Ausrüstung seien ungenügend. Die ungarische Armee besitze keine kleinen, schnell beweglichen Einheiten und selbst die Bedingungen für die Kooperation mit NATO-Kräften seien mangels moderner Kommunikationstechnik nicht gegeben, so der Minister. "Die Orbán-Regierung hat der NATO viel versprochen, aber beinahe nichts geleistet", fügte er hinzu.

Juhász hatte im Interview mit der Washington Post berichtet, dass NATO-Generalsekretär George Robertson beim Treffen mit dem ungarischen Verteidigungsminister mit der Faust auf den Tisch geschlagen und die Erfüllung der ungarischen Versprechen gefordert habe. Das Blatt zitiert ohne Namensnennung einen westlichen Diplomaten, der die militärischen Fähigkeiten der Ungarn, die seit 1456 keine Schlacht gewonnen haben, als "sehr niedrig" einschätzt. Der Diplomat lobte allerdings die neue Regierung, die die Verteidigungsausgaben um 16 Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar erhöht habe. Die gleiche Ausgabe der "Washington Post" brachte einen Report desselben Journalisten über die Tschechische Republik, die er als NATO-Musterknaben vorstellte.

Der Fidesz (Bund Junger Demokraten - MD)-Verteidigungsexperte István Simicskó warf Juhász vor, dass er ständig den Fidesz kritisiere, anstatt sich mit seiner eigentlichen Aufgabe zu beschäftigen. Die US-Kritik diene Simicskó zufolge nur dazu, der Regierung von Premier Péter Medgyessy einen Anlass zu geben, während seiner Reise nach Washington vergangene Woche der Entsendung ungarischer Soldaten in Krisengebiete zuzustimmen.

Am Afghanistan-Einsatz hatten tatsächlich nur zwei NATO-Länder nicht teilgenommen: Island, das keine Armee besitzt, und Ungarn. Selbst das Nicht-NATO-Mitglied Rumänien entsandte eine bewaffnete Einheit nach Asien. Medgyessy bot deswegen die Aufstellung einer schnellen Einheit an, die ab 2006 funktionieren soll. Auch die Einrichtung einer Sanitätseinheit steht zur Diskussion. Die heikelste Frage ist jedoch die Entsendung von Kampftruppen. Die politische und militärische Führung Ungarns betrachtet die Entsendung eines Bataillons derzeit aus technischen Gründen als ausgeschlossen, verschließen sich aber nicht dem Einsatz einer Truppe von 30 bis 40 Mann.

Generalstabschef Lajos Fodor zufolge verdienen die ungarischen Soldaten auf Grund ihrer Fähigkeiten und der Erfüllung von Aufgaben bei internationalen Einsätzen höchstes Lob. Die Finanzmittel der Armee und die Erfüllung der Versprechen gegenüber der NATO seien jedoch ungenügend. Dem Generalstabschef zufolge waren die ungarischen Zusagen beim NATO-Beitritt zu weitgehend, die Entscheidungsträger schätzten die Lage falsch ein und hofften auf mehr Geld. Zur Korrektur wurde ein zehnjähriges Programm der Heeresreform ausgearbeitet, das jedoch in den letzten zwei Jahren vernachlässigt worden sei. Jetzt sollen die Ursachen dafür ermittelt werden, so Fodor.

Verteidigungsminister Juhász betonte vor dem Parlament, dass die Entsendung einer Truppe nach Afghanistan nur mit Zustimmung des Parlaments erfolgen werde. Den Informationen der Zeitung "Népszabadság" zufolge würde diese Truppe unter deutschem Befehl im Rahmen der UNO-Mission in Kabul eingesetzt werden. (fp)