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Aktuelles Stichwort

Daniel Scheschkewitz20. April 2012

Die Schutzverantwortung der Staatengemeinschaft für die Zivilbevölkerung böte die einzige völkerrechtliche Grundlage für ein militärisches Eingreifen in Syrien.

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UN-Beobachter in der syrischen Haupstadt Damaskus (Foto:AP)
UN-Beobachter in der syrischen Haupstadt DamaskusBild: AP

Angesichts der Gewalt des syrischen Präsidenten Assad gegen das eigene Volk wird immer wieder die Möglichkeit erörtert mit militärischen Mitteln international einzugreifen, um die Zivilbevölkerung gegen weitere Angriffe zu schützen. Voraussetzung für ein völkerrechtlich sanktioniertes Eingreifen wäre allerdings eine Resolution der Vereinten Nationen. Als einziges UN-Organ kann der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gemäß Kapital 7 der UN-Charta Sanktionen verhängen. Und zwar dann, wenn eine Aggression oder ein Friedensbruch vorliegt. Da Syrien die Gewalt nicht nach außen, wohl aber nach innen ausübt, könnte als Begründung die völkerrechtlich definierte Schutzverpflichtung gegenüber der Zivilbevölkerung eines Staates zur Anwendung gelangen. Nach dem Prinzip der "responsibility to protect" obliegt es den Staaten, die Menschenrechte zu schützen.

UN als Schutzinstanz

Kommen sie dieser Verpflichtung nachweislich nicht nach, tritt eine Situation ein, in der diese Schutzverantwortung auf das System der Vereinten Nationen übergehen kann.

Frankreichs Außenminister Alain Juppe spricht mit der US-Außenministerin Hillary Clinton in Paris währedn einer Sitzung der Syrien-Kontaktgruppe am 19.4.2012 (Foto:Reuters)
US-Außenministerin Clinton will eine UN-Resolution nach Kapitel 7Bild: Reuters

Im Falle Libyens und der UN-Resolution 1973 vom 17. März 2011 kam genau dieses Prinzip zur Anwendung. Die Resolution schuf die Legitimationsgrundlage für den Militäreinsatz gegen den inzwischen getöteten Machthaber Gaddafi.

Allerdings sind solchen Einsätzen rechtlich enge Grenzen gesetzt. Ein Regimewechsel durch Militärgewalt von außen darf nicht das Ziel eines solchen Einsatzes sein. Russland und China haben jedoch in der Vergangenheit argumentiert, dass genau dies im Falle Libyens der Fall gewesen sei. Beide Vetomächte weigern sich deshalb bislang einer Resolution im UN-Sicherheitsrat nach Kapitel 7 der UN-Charta zuzustimmen. Allerdings haben auch China und Russland dem Friedensplan des UN-Sonderbeauftragten Annan ihre Unterstützung zugesagt, der unter anderem eine Einstellung der Gewaltangriffe gegen Zivilisten vorsieht.

Nato-Luftangriff auf Tripolis am 7.6.2011 (Foto: dpa)
Nato-Luftangriff auf Tripolis am 7.6.2011Bild: picture alliance / dpa

Annan-Friedensplan als Druckmittel

Nach Angaben der Opposition sind allein seit Assads Zusage zur Einhaltung dieses Friedensplans am 25. März mehr als tausend Menschen getötet worden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beschuldigte am Donnerstag (19.4.2011) die syrische Führung sogar, die durch die Annahme des Friedensplanes gewonnene Zeit zu "fortgesetztem Töten" zu verwenden.

epa03188574 An handout photograph made available by the Local Coordination Committees (LCC) in Syria on 19 April 2012, shows destruction at the old neighborhoods of Homs, Syria. Media reports on 19 April state that Syria and the United Nations concluded a protocol agreement in the Syrian capital, allowing a team of observers to monitor an internationally backed ceasefire. EPA/LOCAL COORDINATION COMMITTEES LC BEST QUALITY AVAILABLE. EPA IS USING AN IMAGE FORM AN ALTERNATIVE SOURCE, THEREFORE EPA CAN NOT Zerstörte Häuser in der syrischen Rebellenhochburg Homs (Foto:EPA)
Zerstörte Häuser in der syrischen Rebellenhochburg HomsBild: picture-alliance/dpa

Sollte Assad nun auch weiterhin gegen den Friedensplan und seine Auflagen verstoßen, gerieten auch die Vetomächte Russland und China stärker in Zugzwang. Schon seit Monaten wird am Sitz des UN-Sicherheitsrats in New York über eine entsprechende Resolution verhandelt.

Schlussendlich könnten auch China und Russland ihre Vorbehalte aufgeben und zumindest der Einrichtung von Schutzzonen zustimmen, in die sich Zivilisten und desertierende Soldaten flüchten können.

Militärisch garantierte Schutzzonen

Dort wären sie angesichts der drohenden Gewaltanwendung der internationalen Staatengemeinschaft vor Verfolgungen des Assad-Regimes sicher. Zu einer solchen Schutzzone könnten ein oder mehrere Gebiete bestimmt werden, in denen besonders viele Leute umgebracht werden oder zumindest vom Tod bedroht sind. Eine mögliche Region wäre derzeit etwa die syrische Rebellenhochburg Homs. Der militärische Schutz solcher Zonen wäre durch eine UN-Resolution garantiert und müsste von einer militärischen Koalition aus einzelnen Staaten oder einer regionalem Bündnis wie der NATO durchgesetzt werden. Dabei müssten die Militärs im Zweifelsfall auch sicherstellen, dass die syrischen Sicherheitskräfte Flüchtlinge nicht am Zutritt zu diesen Schutzzonen hindern können. Dies hatte die Assad-Regierung zuletzt bei der Flucht von Regimegegnern in die Türkei versucht.

Beispiele aus der Vergangenheit

Vorbild für derartige Schutzzonen könnten die Flugverbotszonen sein, die der UN-Sicherheitsrat im Oktober 1992 im Bosnien-Krieg verhängte. Nur UN-Maschinen und zu deren Unterstützung eingesetzte Flugzeuge durften damals den Luftraum über der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik nutzen. Nachdem sich Serbien nicht daran hielt und Angriffe in Bosnien-Herzegowina flog, bekam die NATO durch die UN-Resolution 816 vom März 1993 die Erlaubnis, das Flugverbot auch militärisch durchzusetzen.

Auch im Irak gab es Anfang der Neunziger Jahre zwei Flugverbotszonen, allerdings ohne ein ausdrückliches UNO-Mandat. Sie galten dem Schutz der Kurden im Norden des Landes und der schiitischen Bevölkerung im Südirak. Durchgesetzt wurden sie von den USA, Großbritannien und Frankreich unter Berufung auf einen Beschluss des Sicherheitsrates. Die UN-Resolution 688 vom April 1991 hatte die Beendigung der Unterdrückung der irakischen Zivilbevölkerung gefordert, allerdings keine Festlegungen darüber getroffen, wie dies durchgesetzt werden sollte. Auch in der Resolution 1973 zu Libyen wurde eine Flugverbotszone über dem gesamten Land eingerichtet. Ausdrücklich ausgeschlossen war hier jedoch der Einsatz von Bodentruppen.

Ein US-Kampfflugzeug 1991über der Flugverbotszone im Nordirak (Foto: AP)
Ein US-Kampfflugzeug 1991 über der Flugverbotszone im NordirakBild: picture-alliance/dpa