1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bedrohte Pressefreiheit

Gero Simone16. Mai 2012

Das demokratische Indonesien ist im Index der Pressefreiheit stark nach hinten gerutscht. Nicht nur unaufgeklärte Morde an Journalisten sind der Grund, sondern auch wirtschaftlicher und politischer Druck.

https://p.dw.com/p/14wRB
Zeitungskiosk in Jakarta (Foto: AP)
Bild: AP

Nachdem die Organisation "Reporter ohne Grenzen“ ihr Ranking der Pressefreiheit für 2011 veröffentlicht hatte, trafen im Pariser Sitz der Organisation Beschwerdebriefe von indonesischen Journalisten ein. Sie fühlten sich in der Berufsehre verletzt, denn sie hielten das Ranking für eine Aussage über die journalistische Qualität. Auch wenn sich diese Journalisten irrten, zeigt ihre Reaktion, dass der Schock über den tiefen Fall der indonesischen Pressefreiheit im Ranking von "Reporter ohne Grenzen“ groß war. Um 29 Plätze stürzte Indonesien im Vergleich zum Vorjahr ab und landete auf Rang 146 der 179 gelisteten Länder. Damit liegt die sonst so starke Demokratie nun sogar erstmals hinter dem autoritären Singapur (Platz 135).

Ein Urteil bei zwölf Journalisten-Morden

"Das schlechte Abschneiden Indonesiens liegt daran, dass Gewalt gegenüber Journalisten einen hohen Einfluss auf die Platzierung im Index der Pressefreiheit hat", sagt Benjamin Ismaїl, Leiter der Asien-Pazifik-Abteilung bei "Reportern ohne Grenzen“ in Paris. Immer wieder würden Journalisten in Indonesien Opfer von Gewalt, wenn sie durch ihre Recherchen Personen in hohen Positionen  belasten. In diesem Jahr wurden bisher zwei Journalisten in Aceh und West Papua umgebracht. Einer von ihnen wurde sogar als Flugzeugpassagier beim Landeanflug vom Boden aus erschossen. Wie auch in diesen Fällen werden die Mörder so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen, da sie von ihren einflussreichen Auftraggebern gedeckt werden: "In den letzten fünf Jahren wurden zwölf Journalisten umgebracht. Aber nur in einem Fall wurde der Mörder verurteilt und inhaftiert", so Eko Maryadi, Vorsitzender des Verbands unabhängiger Journalisten in Indonesien (AJI).

Eko Maryadi, Vorsitzender des Verbands Allianz für unabhängige Journalisten in Indonesien (Foto: DW)
Eko Maryadi ist Vorsitzender des Verbands Allianz für unabhängige Journalisten in Indonesien (AJI)Bild: Eko Maryadi

Nach einer Erhebung des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) hatten die meisten ermordeten Journalisten in Indonesien über die grassierende Korruption im Lande berichtet. Nur wenige Journalisten trauen sich daher überhaupt, über brisante Themen zu schreiben.

"Briefumschlag-Journalismus“

Aber auch die schreibende Zunft in Indonesien ist vor Korruption nicht gefeit: Viele ihrer 80.000 Mitglieder werden für eine positive Berichterstattung bezahlt, sei es von Privatpersonen, von Unternehmen oder von Staatsdienern. Von Veranstaltungen, bei denen keine Briefumschläge mit Geldscheinen ausliegen, wird nur in den seltensten Fällen berichtet. Der so genannte "Amplop-Journalismus" (Briefumschlag-Journalismus) ist in Indonesien weit verbreitet. Er sei eine Gefahr für die freie und unabhängige Berichterstattung, meint Maryadi: "Der 'Amplop-Journalismus' ist eines der größten Probleme. Das liegt daran, dass viele Journalisten zu schlecht bezahlt werden."

Für Eko Maryadi sieht die Pressefreiheit auch durch den Einfluss von mächtigen Medienunternehmern und Politikern bedroht. Bei Hary Tanoesoedibjo kommt sogar beides zusammen. Unter anderem gehören ihm drei der zwölf nationalen Fernsehsender. Zudem wurde er vor Kurzem zu einer der Führungspersonen der NasDem-Partei (Nationaldemokratische Partei) ernannt. "Tanoesoedibjo benutzt seine Medien, um Werbung für seine Partei zu machen. NasDem ist in seinen Sendern jeden Tag Thema", berichtet Maryadi. Dagegen könne sich auch der mustergültigste Redakteur nicht wehren.

Unerwünschte Kritik an China

Aber auch Kritik an befreundeten Staaten kann die Presse in Indonesien in Schwierigkeiten bringen. So wurde der Lokalsender "Radio Era Baru" (Radio Neue Ära) im September 2011 von Militär und Polizei geschlossen. Für den Benjamin Ismaїl von "Reporter ohne Grenzen“ war die kritische Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen in China der Hauptgrund für das Verbot des Radios. Generell sagt er: "Wir haben beobachtet, dass externe Akteure wie extremistische Gruppen oder andere Mächte wie China Druck ausüben."

China-Town in Jakarta (Foto: AP)
Bei Kritik an China ist Vorsicht angesagtBild: AP

Die Pressefreiheit wird in Indonesien laut Artikel vier des Pressegesetzes von 1999 formal gewährleistet: "Pressefreiheit ist als Bürgerrecht garantiert … Es soll keine Zensur, Verbot oder Verhinderung der nationalen Presse stattfinden." Artikel 18 besagt sogar, dass jeder, der Journalisten bei der Informationsbeschaffung behindert, mit einer maximalen Gefängnisstrafe von zwei Jahren oder einer Geldstrafe von umgerechnet 42.000 Euro belegt wird. Doch in der Realität können nur wenige indonesische Leitmedien, wie etwa "Kompas“ oder "Tempo“ eine freie Berichterstattung ausüben.

Vorsicht geboten

Kompas-Redakteur Budiman Tanuredjo fühlt sich bei seiner Arbeit nicht unter Druck gesetzt. Er "spürt die Pressefreiheit in Indonesien", sieht aber auch Einschränkungen: "Wir sagen unseren Reportern, dass sie vorsichtig sein sollen, wenn sie über Unternehmen mit großen Namen schreiben." Und auch beim "Tempo“-Magazin hat man schon unliebsame Erfahrungen mit kritischer Berichterstattung gemacht. Eine Ausgabe im Jahr 2010 wurde landesweit von der Polizei aufgekauft, da sie korrupte Machenschaften von drei ranghohen Polizeibeamten aufgedeckt hatte, kurz darauf wurden Brandsätze in die Redaktionsräume geworfen.

Titelbild der Zeitschrift "Tempo" (Foto: AP)
Auch die renommierte Zeitschrift "Tempo" muss sich zweimal überlegen, ob sie sich mit mächtigen Gegnern anlegen will.Bild: AP