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"Beethoven am Bosporus"

Gero Schließ20. Februar 2002

Tirilierende Flöten, jubilierende Geigen und ein einsam näselndes Fagott dringen an unser Ohr, als wir das alte Gemäuer des Musikkonservatoriums an der Istanbuler Universität betreten.

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Beethoven in der Türkei

Wir, das sind Thomas-Daniel Schlee und Raphael von Hoensbroech vom Beethovenfest. Ayse Tekin vom Türkischen Programm sowie der Autor dieser Zeilen.

Vom Boot aus, das uns übers Marmarismeer auf den asiatischen Teil Istanbuls brachte, hatten wir das helle, flache Gebäude bereits gesehen und erfahren, dass es in früheren Zeiten als Markthalle diente. Die Melodiefetzen und Rhythmusfiguren, die wir hören, verraten, dass sich die Mitglieder des Studentenorchesters auf die fünfte Sinfonie von Ludwig van Beethoven vorbereiten. Sie war uns, den Gästen aus Bonn und Köln, bereits angekündigt worden.

Nachdem wir im kleinen Probenraum mit seiner tief herabhängenden Decke Platz genommen haben, tritt der Dirigent, Ramiz Malik-Aslanov, vor sein Orchester, sorgt mit gebieterischer Geste für gespannte Ruhe und gibt forsch den Einsatz zum sogenannten Schicksalsmotiv der Fünften: "Tatatataaaaaa! Tatatataaaaaa!........"

Beethoven am Bosporus? Ist das nicht so wie Knoblauch und Schlagsahne? Weit gefehlt! Die jüngste DW-Initiative beim Internationalen Beethovenfest, die nach der Ukraine diesmal den Kulturdialog mit türkischen Musikern initiiert, wartet auf mit überraschenden Entdeckungen.

Neben Bonn als Geburtsort und Wien als Wirkungsstätte sowie vielen Musikstädten der westlichen Hemisphäre werden sich jetzt auch Ankara, Izmir und Istanbul als Orte engagierter Beethovenpflege einprägen. Dorthin ist die kleine Findungskommission - angeleitet von der kundigen Kollegin Ayse Tekin – gereist, um das beste türkische Nachwuchsorchester zu ermitteln. Überall hat man sich auf den Besuch intensiv vorbereitet, uns sehr freundlich willkommen geheißen und – in einem Fall – sogar ein öffentliches Konzert in einer großen Konzerthalle organisiert. Kein Zweifel: Die mögliche Einladung zum Bonner Beethovenfest begreifen alle als große Chance.

Just das Orchester der Istanbuler Universität ist es, dessen Spielfreude und Professionalität uns am meisten überzeugen. Selbst die miserable Akustik im engen, dunklen Probenraum kann die Qualitäten nicht verdecken. Und damit steht fest: Dieses Orchester wird gemäß der DW-Initiative am 15 September 2002 im Rahmen des Internationalen Beethovenfestes die "Pastorale" spielen sowie ein neues Werke eines jungen türkischen Komponisten uraufführen – jenes Komponisten, den die DW in diesem Jahr mit ihrem-Kompositionspreis auszeichnet.

Überdies ist im Umfeld des Konzertes erstmals ein einwöchiger Orchestercampus geplant, eine Art workshop, in dem die Musikstudenten mit prominenten Dirigenten wie Krzystof Penderecki und Helmuth Rilling arbeiten können.

Die Türkei als Partnerland in diesem Jahr ist im Hinblick auf Beethoven und die klassische Musik alles andere als eine Terra incognita: Staatliche Sinfonieorchester, ein halbes Dutzend Opernhäuser und fast doppelt so viele Musikkonservatorien legen es nahe, unser Türkei-Bild zu korrigieren. Frauen sind nicht nur in den Studentenorchestern tonangebend, sondern zumindest in Istanbul auch im Management der Universität. Die von allerlei Atatürk-Devotionalien umgebene Rektorin hat ihren "Laden" im Griff. Um die immensen Transportkosten für 80 bis 90 Musiker aufzubringen, will auch sie bei Sponsoren vorsprechen. Dies und noch vieles mehr wird auch die DW-Musikredaktion bis zum 15. September in Atem halten. Auch wenn bis dahin noch viel Wasser den Bosporus entlangfließt: Auf das Konzert der jungen türkischen Musiker darf man sich jetzt schon freuen!