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Kontrolle verloren

Martin Muno29. Oktober 2008

Wir haben uns an allerhand gewöhnt: Kursstürze oder platzende Blasen. Doch die Vorgänge rund um die VW-Aktie sind selbst für sportbegeisterte Börsen-Beobachter neu. Geht es dort noch mit rechten Dingen zu?

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Börsenmakler hält die Luft an. Foto: Frank Rumpenhorst dpa
Luft anhalten: Die Entwicklung der VW-Aktie ist nichst für schwache NervenBild: picture-alliance/ dpa

Alle wissen: Der Automobilbranche geht es nicht gut. Die Hersteller haben große Probleme, ihre Neuwagen an den Mann zu bringen. Autowerte sind daher zurzeit an den Börsen wenig beliebt. Alle Autowerte? Nein, Ausnahmen gibt es: VW wird für einen Tag zum teuersten Unternehmen der Welt. Nicht Google, nicht Coca-Cola, nicht Microsoft. Nein, VW, der deutsche Autobauer mit dem Hausmeister-Image. 90 Prozent Kurssteigerung am Dienstag (28.10.2008), der Absturz folgt am Mittwoch. Und diese Ausschläge reißen den gesamten deutschen Aktienmarkt mit sich. Die Manager der Deutschen Börse veränderten deshalb auf einer Krisensitzung die Spielregeln. VW-Papiere werden im Deutschen Aktienindex Dax künftig nicht mehr so stark gewichtet.

VW-Hausse ist Teil eines großen Spiels

Volkswagen-Laufschrift auf der Frankfurter Börse AP Photo/Michael Probst
Der Dax-Titel Volkswagen gerät außer KontrolleBild: AP

Schuld an dieser Achterbahnfahrt der VW-Aktie sollen die Leerverkäufer sein. Ein Leerverkäufer ist ein Händler, der auf einen sinkenden Kurs setzt, sich dafür Aktien ausleiht und die verkauft. Fällt die Aktie wie erwartet, kann er sie später zu einem günstigeren Kurs einkaufen und an den Besitzer zurückgeben. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis ist sein Gewinn. Leerverkäufer haben derzeit ein schlechtes Image, denn sie werden für die Zuspitzung der Finanzkrise mitverantwortlich gemacht. Zur ihrer Verteidigung wird angefügt, dass sie lediglich Fehlentwicklungen auf den Märkten korrigieren und Luft aus den Blasen lassen.

Leerverkäufer stehen mit leeren Händen da

Jetzt haben sich aber offenbar einige Leerverkäufer verspekuliert. Sie haben große Summen in einen sinkenden VW-Kurs investiert. Aber weil Porsche eine Mitteilung veröffentlichte, die die noch frei verfügbaren VW-Aktien schlagartig äußerst wertvoll machten, stieg der Aktienkurs deutlich. Und das ließ die anderen Marktteilnehmer nicht kalt. Vor allem die Indexfonds beteiligten sich an dem Spiel und kauften VW-Aktien. Die Folge: Mehr als 1000 Euro mussten zeitweise für eine Aktie bezahlt werden. Dieser Kurs hatte aber nichts mehr mit dem realen Wert der Volkswagen AG zu tun, die wie aller anderen Autohersteller Probleme hat, ihre Wagen zu verkaufen. Die Folge: Der Kurs stürzt wieder ab.

Die Folge des Zirkus ist Vertrauensverlust

Die Sparbuch-Sparer reagierten mit Schadenfreude, als sie merkten, dass den Hedgefonds-Managern der Schrecken in die Knochen fährt. Diese Reaktion aber ist voreilig, denn die Folgen betreffen jeden; so wie bei der Finanzkrise, die zur Folge hat, dass der kleine Handwerksbetrieb keine Kredite mehr von seiner Hausbank bekommt. Wirtschaften - das ist eine Binsenweisheit - beruht auf Vertrauen. Jahrelang war das Motiv für einen Aktienkauf das Vertrauen in das betreffende Unternehmen. Wenn aber selbst die Anteile des europaweit größten Automobilherstellers zum Spielball eines auch von Insindern nicht mehr beherrschbaren Mechanismus werden, ist ein weiteres Stück Vertrauen aufgebraucht. Es ist also nicht so, dass an den Börsen geschummelt würde. Aber selbst bestens informierte Marktteilnehmer haben die Entwicklungen nicht mehr unter Kontrolle. Das ist es, was besorgt macht.