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Südsudan Schule

9. September 2011

Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt können weder lesen noch schreiben. Fast immer unverschuldet - wie im Südsudan, wo nicht mal jedes zweite Kind zur Schule gehen kann.

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Lehrer John Abugo Martin (Foto: DW)
Lehrer im Südsudan: John Abugo MartinBild: DW

Wer an der Lasu-Grundschule im Südsudan lernen möchte, muss hart im Nehmen sein. Knapp hundert Schüler sitzen im Freien unter großen Mangobäumen. An jedem Baum lehnt eine alte Schiefertafel. Während eine Klasse lauthals auf Englisch zählen lernt, sind die Kinder daneben mit Stillarbeit beschäftigt. "Aufgabe: Ordne den folgenden Tieren die folgenden Fortbewegungsarten zu", steht auf der Tafel vor ihnen. Rund vierzig Schüler sitzen davor, jeder hat ein zerfleddertes Heft und einen blauen Kuli in der Hand. Alle schreiben emsig in ihre Hefte. Trotz des Lärms - schließlich könnte alles viel schlimmer sein.


"Wenn es regnet, haben wir keinen anderen Platz für diese Schüler. Dann fällt der Unterricht hier für sie aus", sagt John Abugo Martin, der stellvertretende Schulleiter. Heute besteht keine Gefahr: Weiße Wolken türmen sich am stahlblauen Himmel - und die Sonne scheint. Viel Gedanken ans Wetter kann John Abugo Martin nicht verschwenden: Zusammen mit drei anderen Lehrern unterrichtet er hier 447 Schüler. Für mehr hat die Bildungsbehörde kein Geld.

Holzkohle statt Kreide

Gespendete Schulmaterialien (Foto: DW)
Zahlreiche Organisationen helfen der SchuleBild: DW

Seit 1992 unterrichtet er und ist ganz andere Bedingungen gewöhnt: Mitten im zweiten Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan verpflichtete ihn die Regierung als Lehrer – kurz nachdem er aus Geldmangel die weiterführende Schule abgebrochen hatte. "Damals haben wir mit Holzkohle geschrieben, weil wir keine Kreide hatten", erinnert er sich. "Von der Regierung kam ja keinerlei Unterstützung. Statt Tafeln haben wir Wellblech genommen. Manchmal mussten wir sogar mit Maniok-Wurzeln schreiben, weil wir keine Kreide hatten."

Geld kam von der Regierung nie. "Die Eltern haben uns damals unterstützt, indem sie für uns Obst und Gemüse angebaut haben", erzählt Abugo Martin. Verglichen mit den Kriegsjahren ist jetzt vieles besser geworden: Drei Klassenzimmer umfasst das Gebäude. Wer hier unterrichtet wird, ist wenigstens vom Regen geschützt und kann auf wackeligen Holzbänken sitzen. Deutlich mehr Privilegien als draußen, wo die Schüler auf dem Boden sitzen. Dafür sitzen die Schüler im Gebäude wie die Hühner auf der Stange. Mehr als 40 Kinder sind in den Klassenzimmern zusammengepfercht. Rein statistisch kommen im Südsudan 129 Kinder auf ein Klassenzimmer.

Einstürzende Bauten

Die Lasu-Grundschule im Südsudan (Foto: DW)
Das Gebäude der Lasu-Grundschule bietet nicht genügend PlatzBild: DW

John Abugo Martin ist froh, dass es überhaupt Klassenräume gibt. Doch die verdankt er nicht dem Staat. Es sind private Hilfsorganisationen, von denen die Schule die meiste Unterstützung bekommt. "Wir hatten ein altes Gebäude, das 1973 gebaut worden war. Aber das ist vor Jahren eingestürzt. Dann kam der Jesuiten-Flüchtlingsdienst und hat uns ein neues Gebäude gebaut", erzählt Abugo.


In seinem Büro türmen sich Kartons. Die Aufschriften lesen sich wie ein Verzeichnis der internationalen Hilfsorganisationen. Neben dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst helfen auch andere mit Heften, Stiften oder Klassenbüchern. "Wenn wir keine Spenden bekämen, müssten die Eltern selber Hefte kaufen. Das können sich nur die wenigsten leisten", sagt Abugo. Viele Eltern brauchen die Kinder zudem als Helfer auf den Feldern.

Steigende Schülerzahlen

Schulklasse der Lasu-Grundschule beim Unterricht unter einem Baum (Foto: DW)
Unterricht unter einem BaumBild: DW

Noch werden im Südsudan nur 44 Prozent aller Kinder im schulpflichtigen Alter unterrichtet. Aber die Schülerzahlen steigen seit einigen Jahren. John Abugo Martin freut das sehr. Er weiß: Der junge Staat kann nur funktionieren, wenn es gut ausgebildete Bürger gibt. "Wer zur Schule gegangen ist, hat das nötige Wissen. So jemand kann seiner Familie ein gutes Leben ermöglichen", sagt Abugo. "Nehmen Sie mich zum Beispiel. Ich kann nicht nur als Lehrer arbeiten. Ich habe zum Beispiel auch gelernt, wie man ein Feld richtig bestellt. Ich könnte also auch als Bauer Geld verdienen."

Doch Bauer will John Abugo Martin nicht wirklich werden. Er will nicht nur, dass seine Schüler es im Leben zu etwas bringen, sondern auch er selbst. So träumt er von einer Professur an der Universität von Juba. Doch das ist noch ein weiter Weg: Erstmal muss er noch sein Fernstudium der Erziehungswissenschaft abschließen.

Autor: Daniel Pelz

Redaktion: Jan-Philipp Scholz