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Beim Wahlrecht zurück auf Start

25. Juli 2012

Das Bundesverfassungsgericht hat das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag für verfassungswidrig erklärt. Es werde gegen die Grundsätze der Gleichheit verstoßen. Nun muss vor der Bundestagswahl 2013 eine Neuregelung her.

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Aktenordner der Verfassungsrichter zum Wahlrecht (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die von der Regierungkoalition von CDU/CSU und FDP 2011 durchgesetzte Reform des Bundestagswahlrechts verstößt gegen das Grundgesetz, entschied das oberste Deutsche Gericht in Karlsruhe und erklärte zentrale Bestimmungen für die Verteilung der Abgeordnetensitze mit sofortiger Wirkung für unwirksam. Damit gibt es derzeit kein wirksames Recht für die Sitzverteilung bei Bundestagswahlen. Der Bundestag muss spätestens im Oktober nächsten Jahres neu gewählt werden. Bis dahin muss der Gesetzgeber ein neues Wahlrecht schaffen.

Neue Klatsche aus Karlsruhe für die Politik

Die Verteilung der Abgeordnetensitze "verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung und forderte deutliche Korrekturen beim Bundestagswahlrecht.

Die Richter beanstandeten vor allem den Effekt des sogenannten negativen Stimmgewichts. Dieses kann dazu führen, dass die Abgabe einer Stimme der jeweiligen Partei bei der Berechnung der Abgeordnetenzahl im Ergebnis schadet. Grund hierfür ist die Bildung von Sitzkontingenten in den einzelnen Bundesländern. Die Richter kritisierten auch, dass das Wahlrecht die Möglichkeit zahlreicher Überhangmandate schaffe. Solche Zusatzmandate können entstehen, wenn eine Partei mehr Sitze im Parlament über Direktmandate in den Wahlkreisen gewinnt, als es ihrem Anteil an Zweitstimmen entspricht. Diese Mandate kommen tendenziell den großen Parteien zugute - bei der vergangenen Bundestagswahl 2009 gingen alle 24 Überhangmandate an die Union.

Überhangmandate seien zwar nicht grundsätzlich verboten, entschieden die Richter. Es dürften jedoch nicht so viele werden, dass sie "den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufheben". Die Höchstgrenze liege derzeit bei etwa 15 Überhangmandaten, sagte Voßkuhle.

Neuer Anlauf zur Korrektur des Wahlsystems

Bereits 2008 hatten die Karlsruher Richter das frühere Wahlrecht für teilweise verfassungswidrig erklärt und innerhalb von drei Jahren eine tief greifende Korrektur des Wahlsystems für Bundestagswahlen gefordert. Union und FDP hatten daraufhin im vergangenen Jahr die Reform des Wahlrechts im Alleingang durchgesetzt. Dagegen hatten die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen sowie mehr als 3000 Bürger Verfassungsklage eingereicht. Das mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition verabschiedete Gesetz zur Reform des Wahlrechts ging den Klägern nicht weit genug. Sie kritisierten, dass einzelne Parteien weiter von Überhangmandaten profitieren könnten, die den Wählerwillen unzulässig verzerrten. SPD und Grüne wollen stattdessen, dass Überhangmandate einzelner Parteien durch zusätzliche Sitze für andere Parteien ausgeglichen werden.

qu/SC (rtr, dpa, afp, dapd)