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Belarus: Bestrafung für zivilgesellschaftliche Courage

27. April 2006

Der weißrussische Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch zeigte am Tschernobyl-Jahrestag Mut: Er nahm an Protestaktionen teil – und wurde dafür verhaftet. Bernd Johann kommentiert.

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Wer für demokratische Reformen in Weißrussland eintritt, der landet im Gefängnis. Das Regime des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko duldet keine freie Meinungsäußerung. Wer das nicht respektiert, mit dem macht das Regime kurzen Prozess. Vielen Politikern und Bürgerrechtlern in Weißrussland ist das schon widerfahren. Nun wurde auch der prominenteste weißrussische Oppositionspolitiker Alexander Milinkewitsch verhaftet. Weil er an einer Demonstration am Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl teilgenommen hatte. Weil er noch dazu den Mut besaß, angesichts der Zustände in seinem Land vor einem "politischen Tschernobyl" zu warnen. Und wohl auch, weil er seit den undemokratischen Präsidentschaftswahlen im März immer wieder aufs neue zivilgesellschaftliche Courage bewiesen hat.

Zivilgesellschaft unerwünscht

Aber eine Zivilgesellschaft, die darf es im Land von Präsident Lukaschenko nicht geben. Selbst dann nicht, wenn am Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl tausende von Menschen an die radioaktive Verseuchung großer Teile des weißrussischen Territoriums erinnern und auch daran, dass das Regime diese radioaktive Belastung gegenüber der Bevölkerung verharmlost. Der Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl führte in der einstigen Sowjetunion dazu, dass sich Bürgerbewegungen formierten. Zwanzig Jahre nach der Atomkatastrophe wird in Weißrussland jede zivilgesellschaftliche Regung unterdrückt, werden grundlegende Bürgerrechte verletzt.

Willkür-Regiment

Zu Recht protestieren deutsche Politiker und die internationale Gemeinschaft gegen das Willkür-Regiment des Alexander Lukaschenko. Die EU und die USA haben vor kurzem erst Einreiseverbote gegen die Führungsclique in Minsk verhängt. Lukaschenko ist international isoliert. Mit Kuba pflegt er noch Kontakte, gegenüber den Atompolitikern im Iran bekundet er Verständnis. Doch selbst Russland hält inzwischen mehr Distanz zu Lukaschenko.

Doch könne Einreiseverbote und internationale Isolation das Regime von Lukaschenko zu Fall bringen? Zweifel sind angebracht. Zumal westliche Staaten ganz offensichtlich mit zweierlei Maß handeln. Dieser Tage wurde der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew im Weißen Haus in Washington empfangen. Auch er ist wie Lukaschenko ein Despot - keine Frage. Aber er kontrolliert das Öl am Kaspischen Meer.

Die Möglichkeiten, den notwendigen demkratischen Wandel in autoritären Ländern wie Weißrussland von außen zu fördern, sind begrenzt. Der weißrussischen Oppositionspolitikern stehen die Türen in den europäischen Hauptstädten offen. Sie erfahren Solidarität, aber vor Verhaftung und den Polizeiknüppeln des Regimes kann sie niemand schützen. Um so mutiger ist ihr Protest.

Bernd Johann

DW-RADIO/Ukrainisch, 27.4.2006, Fokus Ost-Südost