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Belgien vor Wechsel?

Priya Palsule-Desai9. Juni 2007

Belgiens liberal-sozialistische Regierung unter Premier Guy Verhofstadt kann auf eine erfolgreiche Politik zurückblicken. Dennoch ist eine Abwahl nach acht Jahren am Sonntag wahrscheinlich.

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Wahlwerbeplakate in Brüssel
Wahlwerbeplakate in BrüsselBild: AP

Alles spricht eigentlich für die Arbeit der liberal-sozialistischen Regierung unter Premier Guy Verhofstadt, dennoch gilt seine Abwahl am 10. Juni als sicher. 157.000 neue Arbeitsplätze hat seine Regierung in den letzten drei Jahren geschaffen und vergangenes Jahr ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent erzielt. Laut Umfragen werden die belgischen Christdemokraten unter Yves Leterme gewinnen. Auch wenn Verhofstadt auf seiner Homepage nüchtern feststellt, dass man nur für eine begrenzte Zeit gewählt sei, dürfte das bei der positiven Regierungsbilanz der letzten acht Jahre ein herber Schlag sein.

Liberale ohne klares Wahlprogramm

Belgiens Premierminister Guy Verhofstadt
Belgiens Premierminister Guy VerhofstadtBild: AP

Marc Hooghe, Politikwissenschaftler an der Universität Leuven in Belgien macht drei Gründe für das erwartet schlechte Abschneiden der Liberalen verantwortlich. "Die Menschen wollen einfach ein anderes Gesicht an der Spitze sehen. Premierminister Verhofstadt regiert seit acht Jahren. Für das politische System in Belgien ist das eine lange Zeit." Parteiinterne Querelen der Liberalen und Haushaltsentscheidungen, die beim Volk unbeliebt waren, kratzen zudem an der hohen Popularität Verhofstadts. Vor allem die Veräußerung von Staatsimmobilien zur Sanierung des Haushalts stieß bei der Bevölkerung bitter auf. Als dritten Grund nennt Hooghe das Parteiprogamm. "Der gesamte Wahlkampf der Liberalen hat sich nur auf ein Thema fokussiert - wer wird Premierminister."

Yves Leterme
Yves Leterme, Kandiat der belgischen ChristdemokratenBild: picture-alliance/ dpa

Ganz im Gegensatz zum Wahlkampf von Yves Leterme und seinen Christdemokraten. Leterme, derzeit Ministerpräsident Flanderns, unterstrich kürzlich im Rededuell mit Verhofstadt, dass für die Christdemokraten eine weitere Staatsreform bei Koalitionsgesprächen Thema sein werde. Für Flandern verlangt er mehr Autonomie in den Bereichen Arbeitsmarkt, Steuer- und Gesundheitspolitik. Diese Position bringt dem 46-Jährigen vor allem die Wählergunst der flämischen Bevölkerung im Norden, die für einen unabhängigen Teilstaat kämpft. Nach letzten Umfragen werden die Christdemokraten hier stärkste Kraft mit rund 30 Prozent der Stimmen.

Vlaams Belang mit populistischen Parolen

Doch Flandern ist auch die Hochburg der ausländerfeindlichen Partei Vlaams Belang (VL). Sie haben sich seit jeher den innerbelgischen Konflikt zwischen französischsprechenden Wallonen im Süden und niederländischsprachigen Flamen im Norden zum Thema gemacht und fordern die Abspaltung des wirtschaftlich reichen Nordens. Seit den 1990er Jahren versucht die Partei aber auch mit populistischen und ausländerfeindlichen Parolen auf Wählerfang zu gehen. In Flandern könnte die VL nach Umfragen mit 20 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft werden. Hooghes bleibt aber gelassen. Nach seiner Ansicht sind die VL-Stammwähler nicht unbedingt Populisten, sondern mehr Autonomie-Befürworter Flanderns. "Dennoch", so Hooghe, "müssen wir in Belgien einräumen, dass viele Bevölkerungsschichten für rechte Parteien empfänglich sind."

Daten und Fakten zu Belgien

Das zeige auch das Stimmverhalten von Erstwählern: "Nach unseren Untersuchungen sehen wir, dass mehr als 20 Prozent der 18-Jährigen eine rechte Partei wählen würden", sagt Hooghe. Die heutige Generation sei nicht mehr so rebellisch wie die in den 1960er Jahren. Trotzdem würden aus dieser Wählergruppe auch zehn bis 15 Prozent die grüne Partei Groen! aus Flandern wählen, ergänzt Hooghe. Ob die Grünen mit ein paar Sitzen ins Parlament kommen, wird von der Fünfprozentklausel abhängen, an der sie vor vier Jahren gescheitert sind.

Mögliche Koalitonen noch unklar

150 Parlamentssitze werden vergeben, für eine mehrheitsfähige Regierung sind in Belgien mindestens 76 Sitze notwendig. "Wir haben die drei große Parteien – Christdemokraten, Sozialisten und Liberale. Alle Parteien könnten miteinander koalieren oder sogar eine Drei-Parteien-Koalition bilden. Es bleibt diesmal alles bis zum Wahlabend offen", so Hooghe. Über eines sind sich die großen Parteien aber schon vor dem 10. Juni einig: Mit der ausländerfeindlichen Vlaams Belang will keine regieren.