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Dauerkrise in Belgien

6. Januar 2011

Das Land ist seit mehr als 200 Tagen ohne neue Regierung. Ein Kompromisspapier sollte das ändern und die Parteien dazu bringen, wieder miteinander zu verhandeln. Doch zwei Parteien lehnen diesen Kompromiss ab.

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belgische Flagge auf einem Balkon (Foto: dpa)
Wer glaubt noch an Belgien?Bild: picture-alliance/dpa

Der flämische Separatist Bart De Wever kann aufatmen. Er steht nicht alleine als Verweigerer da. Auch Wouter Beke, der Chef der flämischen Christdemokraten, lehnt das jüngste Kompromisspapier für die Aufnahme von Verhandlungen über die Regierungsbildung ab. Er verlangt "an wesentlichen Punkten noch Nachbesserungen".

Alle anderen Parteien, sowohl auf flämischer wie auf wallonischer Seite, stimmen den Vorschlägen des Papiers zu einer Staatsreform dagegen zu. Hauptpunkt ist, dass die Regionen mehr Autonomie in Finanz- und Steuerfragen bekommen würden. Das käme den flämischen Forderungen entgegen, weniger Geld an das ärmere Wallonien zu überweisen. Auch ein Brennpunkt des Sprachenstreits im Umland von Brüssel soll entschärft werden.

Ein trauriger Rekord

belgischer König Albert II in nachdenklicher Pose (Foto: dpa)
König Albert II. wünscht sich einen KompromissBild: picture-alliance/ dpa

Der flämische Sozialist Bruno Tuybens appelliert nun an die zwei Gegner des Kompromisses. "Die Parteien, die das Papier nicht als Verhandlungsgrundlage akzeptieren, werden an einer Wahl in einem Land namens Utopia teilnehmen müssen. Sie tragen eine große Verantwortung." Tatsächlich wären Neuwahlen wohl unausweichlich, sollte die Blockade anhalten. Seit der Wahl im Juni 2010, das heißt seit 207 Tagen, ist das Land ohne neue Regierung - ein Rekord in Belgiens 180-jähriger Geschichte.

Das hatte auch König Albert II. in seiner Weihnachtsbotschaft beklagt. Die Kunst des Kompromisses sei in den vergangenen Jahren etwas verlorengegangen, so der Monarch auf Niederländisch, um dann auf Französisch fortzufahren: "Der Augenblick ist gekommen, da wahrer Mut darin besteht, entschlossen einen Kompromiss zu suchen, der zusammenführt, und nicht, die Gegensätze zu verschärfen."

Nur eine Minderheit will die Aufspaltung

der flämische Separatist De Wevernach seinem Wahlsieg, umringt von Anhängern (Foto: AP)
Wahlsieger in Flandern im Juni 2010: die Partei des flämischen Separatisten De WeverBild: AP

Die Dauer-Staatskrise in Belgien hätte wohl international nicht so viel Aufmerksamkeit erregt, wenn das Land nicht im vergangenen halben Jahr die EU-Ratspräsidentschaft gehabt hätte. Einen der bissigsten Kommentare lieferte Mitte Dezember 2010 der euroskeptische britische Europaabgeordnete Nigel Farage von der UK Independence Party: "Sechs Monate lang hat uns die belgische Ratspräsidentschaft zu einer tieferen Integration geraten. Was für eine Farce! Seit Juni haben sie keine Regierung in ihrem eigenen Land! Belgien steht kurz vor dem Zerfall."

Doch das Reden von einem Ende Belgiens scheint verfrüht. Nach Umfragen will selbst in Flandern nur eine Minderheit die Abschaffung des Gesamtstaates. Stark ist allerdings die Forderung nach noch mehr regionaler Autonomie. Genau das sieht das Kompromisspapier vor, das De Wever und Beke nicht akzeptieren wollen. Der Druck auf die Verweigerer könnte nun übermächtig werden, dem Papier doch noch zuzustimmen.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn