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Benefizkonzert für krebskranke Kinder

Inge Ivanovic27. Februar 2002

Besondere Akzente setzte das Internationale Beethovenfest in Bonn mit einem Benefizkonzert für leukämiekranke Kinder in Kiew.

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Seit 1993 konnte die Leiterin des Fachkrankenhauses für Krebs, Dr. Svetlana Donskaja trotz äußerst knapper Mittel die Heilchancen ihrer Patienten ständig verbessern. Ihrer Klinik kommt der Reinerlös des Abends zugute. Der Intendant des Beethovenfestes, Franz Willnauer, überreichte ihr am Abend einen Scheck von 60 000 Mark.

Den Benefizcharakter des Konzertes würdigten in Ansprachen die Botschafter beider Länder, Dr. Pia Heckes, Bürgermeisterin der Stadt Bonn und Erik Bettermann, Intendant der DW.

Eingeladen waren -auf Anregung des Medienpartners Deutsche Welle- Nachwuchsmusiker aus der ukrainischen Hauptstadt, die Mitglieder des Symphonieorchesters der Ukrainischen Musikakademie Kiew.

Dem Hauptwerk des Abends, Beethovens Neunter Sinfonie, wurde eine Uraufführung gegenübergestellt, "Cantus supra librum" des jungen ukrainischen Komponisten Sergej Pilyutikov.

Pilyutikov:
"Cantus supra librum wurde 1998 geschrieben, als ich von der Musik Palästrinas stark angezogen war. Eine seiner Hymnen gab mir einen ersten Impuls, dieses Stück zu kreieren. Das Stück zeigt eine Art entwickelte Variation, in der ein langer melodische Ton sehr wichtig ist. Das Stück zeigt zwei Arten der Entwicklung: vom Klang zum Motiv. Und innerhalb des Klangs zu neuen Chor- und Klangmöglichkeiten des Orchesters. Aber die melodische Linie ist die wichtigste. Warum Cantus supra librum? Weil im Mittelalter viele Musiker über den Cantus anderer Komponisten improvisiert haben und daher hat mein Stück denselben Titel."

In der europäischen Neue-Musik-Szene hat er sich längst einen Namen gemacht, der 36jährige ukrainische Komponist Sergey Pilyutikov, dessen "Cantus supra librum für Orchester" mit dem Kompositionspreis der DW ausgezeichnet wurde. Die Uraufführung seiner Komposition am Montag Abend in der Bonner Beethovenhalle nötigte dem Sinfonieorchester der Ukrainischen Musikakademie Kiew höchste Konzentrationsleistungen ab. Man bewunderte die jungen Gäste aus der ukrainischen Hauptstadt mit Roman Kofman am Dirigentenpult um so mehr, als ja im zweiten Teil des denkwürdigen Konzertabends mit Beethovens monumentale Neunter Sinfonie ein weiterer, ungleich größerer Kraftakt auf dem Programm stand.

"Alle Tonstücke des Werkes tragen in ihrer ganzen Ökonomie den Stempel des Riesenhaften, des Ungeheuren, deshalb reißen seine gewaltsamen Tempi den Hörenden wie in einem Sturme von einer Empfindung zur anderen mit sich fort und lassen ihn kaum zu sich selber kommen", schrieb 1824 ein Kritiker über die die Wiener Uraufführung. Und weiter schrieb er: Es war ein Tag der Feier für alle wahren Freunde der Musik."

Kofmann:
"Alle Musiker, alle junge Dirigenten haben Angst mit dieser Perspektive zu dirigieren diese Sinfonie, und ich auch. So war meine Idee, sie erst sehr viel später anzurühren.( später, später to touch diese Sinfonie). Und als ich das erste Mal diese Sinfonie dirigiert habe, war es ein großes Ereignis für mich, es war in Kiew mit dem Ukrainischen Sinfonieorchester. Da war ich schon ein Musiker mit großer Erfahrung."

Inzwischen hat Roman Kofman viele Orchester in aller Welt geleitet, 61 waren es genau, und mit eben jener Erfahrung, Könnerschaft und einem gerüttelt Maß an pädagogischem Impetus präsentierte der silberhaarige Dirigent mit dem zerfurchten Musikergesicht Beethovens Spätwerk im Großen Saal der Bonner Beethovenhalle mit den jungen Musikerinnen und Musikern von der Ukrainischen Tschaikowsky-Musikakademie. Im ergreifenden Schluss-Satz erhält das Orchester freilich vom Philharmonischen Chor Bonn, dem prächtigen Bonner Opernchor und den vier Solisten stimmkräftig-polyphone Unterstützung. Mit so viel verhaltener Glut und Hingabe wird musiziert, dass das Publikum sich mitgerissen fühlt und zum Schluss von den Sitzen springt. Lang anhaltende stehende Ovationen für den beeindruckenden Dreiklang aus Beethovens unsterblicher Musik, Schillers Utopie von der Brüderlichkeit aller Menschen und dem jugendlichen Feuer der Interpreten. Bravos für den Dirigenten Roman Kofman.

Kofmann:
"Diese Worte ‚alle Menschen werden Brüder' sagen wir jedes Jahr, jeden Tag, jedes Jahrhundert. Aber jeden Tag, jedes Jahr, jedes Jahrhundert sind die Menschen (eben) keine Brüder. Das ist die Tragödie. Da bedeutet, dass wir diese Werke wiederholen müssen in verschieden Sprachen, auf verschiedene Weise, in der Musik, im Sport, in der Beziehung zwischen Menschen. In der 9. Sinfonie klingen diese Worte wie ein Konzentrat dieser Idee".