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Bennett: "Nur relevante Daten sammeln"

Gero Schließ11. Juli 2013

Die Überwachungsprogramme der NSA werden international kritisiert. Doch die Abhöraktionen werden vom Kongress kontrolliert und sind legal, sagt Wells C. Bennett von der Brookings Institution im DW-Interview.

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Screenshot Website der NSA (Foto: imago/Seeliger)
Bild: Imago

DW: Wenn wir uns die Verfassungsorgane der Vereinigten Staaten anschauen, wer kontrolliert die Geheimdienste, vor allem die National Security Agency (NSA)?

Wells C. Bennett: Viele Institutionen spielen bei der Kontrolle der NSA eine Rolle. Die NSA selber arbeitet nach den Anweisungen des Präsidenten. Im Fall einer Überwachung muss die NSA einen Antrag bei einem unabhängigen Richter stellen. Und die Geheimdienst-Ausschüsse des Kongresses üben eine intensive Aufsicht aus.

Ist die Kontrolle wirksam?

Ja, sie ist komplex, aber wirksam. Natürlich ist es sehr schwierig, die Wirksamkeit der Kontrolle nachzuvollziehen, weil die Aufsicht im Geheimen stattfindet. Wir sind auf der anderen Seite der Mauer. Aber nach dem, was wir über die Abläufe wissen, würde ich sagen: ja.

Können Sie diese Abläufe beschreiben?

Die Exekutive muss die Überwachung bei einem Geheimen Gerichtshof beantragen, der im Justizministerium tagt. Dessen Verhandlungen und Urteile sind geheim. Es ist ein komplizierter Prozess, aber er ist deswegen nicht weniger kontrovers. Es gibt keinen Anwalt der Verteidigung, der gegen die Regierung antritt. Das wurde immer wieder kritisiert. Es gab Vorschläge, das Gerichtsverfahren zu ändern und transparenter zu machen. Ich bin gespannt, ob das jetzt geschieht.

Wells C. Bennett (Foto: Paul Morigi)
Wells C. BennettBild: Paul Morigi

Es hat harte Kritik gegeben an der schieren Menge an Daten, die gesammelt wurde, Millionen von Telekommunikations- und Internet-Daten. Wurde dieses große Datenvolumen Ihrer Ansicht nach unter Billigung des Kongresses und des Geheimen Gerichts gesammelt?

Es gab Senatoren, die gesagt haben, sie seien gar nicht gebrieft worden. Das halte ich für wenig glaubwürdig. Eher schon, dass einige sagen, sie hätten der Überwachung zwar zugestimmt, aber nicht geglaubt, dass sie jemals in diesem Ausmaß betrieben würde. Was den Geheimen Gerichtshof angeht, wissen wir von einer entsprechenden Anordnung, die vor sieben Jahren getroffen wurde und auf Antrag der Regierung immer wieder erneuert wurde. Für die Öffentlichkeit mag das Ausmaß der Überwachung überraschend und umstritten sein, aber die Geheimdienstausschüsse des Kongresses wurden eingehend informiert.

Geht es hier letztlich um Verfassungsfragen oder um die praktische Ausgestaltung von Politik?

Ich sehe zwei Debatten. Die eine wird bereits heftig geführt, nämlich ob das Ergebnis der Überwachung ihr Ausmaß rechtfertigt und ob der Preis für die Bürgerrechte nicht zu hoch ist. Auf einer anderen Ebene geht es um Gesetze. Das betreffende Gesetz über die Sammlung von Metadaten erlaubte der Regierung, nur Daten zu sammeln, die relevant für bestimmte Ermittlungen sind. Offensichtlich hat die Regierung in den letzten Jahren argumentiert, dass alle erfassbaren Meta-Daten auch relevant seien. Und die Richter und der Kongress haben dieser Praxis zugestimmt. Ich bin der Meinung, das sollte geändert werden. Wenn der Kongress für eine Beschränkung auf die wirklich relevanten Daten ist, dann sollte er das auch deutlich sagen.

Sind Kongress und Regierung ausreichend ausgestattet, um die Geheimdienste zu kontrollieren?

Ich glaube schon. Allerdings ist es für die relativ kleinen Kongress-Ausschüsse enorm schwierig, die überbordende Geheimdienst-Bürokratie zu überwachen. Es gibt genug Komitees und Ausschüsse und Bestimmungen auf dem Papier, aber es ist hart, sie umzusetzen. Wir sprechen von Millionen-Budgets und von mehr als 35.000 Mitarbeitern allein bei der NSA.

US-Geheimdienstchef James Clapper hat den Kongress eindeutig angelogen, als er in einer Befragung sagte, dass die NSA nicht massenhaft Daten von Millionen von Amerikanern sammele. Haben Sie den Eindruck, dass Regierung und Geheimdienste die Rechte und Kompetenzen des Kongresses respektieren?

Generell tun sie das. Aber die Geschichte dieser Aktivitäten rührt her aus dem Übergewicht der Exekutive in den 70er Jahren. So ist dieser Apparat entstanden. Auf der anderen Seite: Nachdem die Medienberichte erschienen sind, wollten die Senatoren ein Briefing durch die Geheimdienste gleich an einem Freitag haben. Aber viele kamen nicht. Sie wollten nach Hause. Kann man wirklich darüber klagen, nicht informiert zu sein, wenn man nicht einmal zu den Briefings erscheint?

Halten Sie die gegenwärtigen Überwachungsprogramme insgesamt denn für verfassungsgemäß?

Ich glaube, sie sind es. Selbst im Lichte der jüngsten Entscheidungen des Obersten Verfassungsgerichts, in denen es angedeutet hat, dass ausgedehnte Überwachungsaktivitäten durchaus fragwürdig sein könnten. Vielleicht überdenken die Richter die gegenwärtige Gesetzeslage im Lichte der Technik und der Überwachungspraxis. Aber die aktuelle Praxis stellt kein eindeutiges Problem für die Verfassung dar. Doch wir leben in interessanten Zeiten. Die aktuelle Debatte könnte die Meinung der Richter beeinflussen und sie könnten ihre Meinung überdenken. Das halte ich für möglich.

Wells C. Bennett arbeitet als Fellow im Bereich National Security Law der Brookings Institution, einer der renommierten Denkfabriken in Washington.