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Tropfen auf den Heißen Stein?

2. Oktober 2006

"Wenn wir es in 90 Tagen nicht schaffen, schlank und interessant für Investoren zu werden, ist es das Aus für uns", sagte die Münchner Betriebsratsvorsitzende Susanne Hahlweg. 3.000 Beschäftigten droht der Jobverlust.

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Bayrische Hilfe in Sicht? Wirtschaftsminister Huber
Bayrische Hilfe in Sicht? Wirtschaftsminister HuberBild: AP

Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld kündigte einen Hilfsfonds mit 35 Millionen Euro für die Mitarbeiter seiner ehemaligen Handysparte an. Damit wolle man die Entlassungen abfedern und Finanzhilfen, Umschulungen und Fortbildungen bezahlen. Zusätzlich werde der Vorstand in diesem Jahr auf seine umstrittene Gehaltserhöhung von 5 Millionen Euro verzichten. Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Hilfe in einem Telefonat mit Kleinfeld und mahnte, dass Siemens "jetzt in einer Verantwortung steht für die Arbeitsplätze in Deutschland". Siemens habe verstanden, sagte Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin.

Ein BenQ-Beschäftigter zeigte am Freitag vor der Siemens-Hauptverwaltung in München dem Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld und der taiwanesischen Firma BenQ symbolisch die rote Karte.
BenQ-Beschäftigte demonstrierten am Freitag gegen den Siemens-VorstandBild: AP

Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer bewertete hingegen den Gehaltsverzicht der Siemens-Manager als "schnellen Befreiungsschlag von Kleinfeld und Pierer, um aus den Schlagzeilen zu kommen." Der Fonds sei ein kleines Zeichen von Verantwortung, aber bei 3.000 BenQ-Mitarbeitern seien 35 Millionen "nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein."

Wut, Enttäuschung, Aggression

Die Stimmung in der Belegschaft beschrieb er mit den Worten: "Wut, Enttäuschung, zum Teil Aggression". Die Gewerkschaft wolle jetzt die Kaufverträge von BenQ und Siemens sehen. Wenn alle Patente inzwischen in Taiwan lägen, "sehe ich kaum eine Chance, nach dem 1.1.07 weiter produzieren zu können", sagte Neugebauer. BenQ will künftig in einer neuen Fabrik in China Handys unter dem Markennamen BenQ-Siemens herstellen.

Siemens BenQ beantragt Insolvenz
Siemens BenQ beantragt InsolvenzBild: AP

Vorstandschef Kleinfeld widersprach Spekulationen, nach denen die Einstellung der Handy-Sparte schon beim Verkauf an BenQ beabsichtigt gewesen sei. "Alle Behauptungen, wir hätten die Insolvenz von BenQ Mobile in Deutschland billigend in Kauf genommen, sind böswillige Unterstellungen", sagte er. Erneut kündigte er mögliche juristische Schritte gegen BenQ an, dem er Vertragsbruch vorwirft. Siemens habe BenQ 600 Patente, den Markennamen Siemens und Geld überlassen. "Uns wurde versichert, dass die Standorte in Deutschland erhalten bleiben und sogar gestärkt werden. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Wir prüfen alle juristischen Schritte gegen BenQ", sagte er einer deutschen Zeitung.

3.000 Kündigungen

Betriebsratschefin Hahlweg und der Münchner IG-Metall-Betriebsbetreuer Michael Leppek sagten, Insolvenzverwalter Martin Prager habe Einschnitte angekündigt. "Sicherlich wird es zu einem weiteren Arbeitsplatzabbau kommen", sagte Hahlweg. Davon könnten rund 3.000 Arbeitnehmer betroffen sein. Das Insolvenzgeld läuft zum Jahresende aus.

Ladenhüter Siemens-Handy
Ladenhüter Siemens-HandyBild: dw-tv

Der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber sagte nach einem Treffen mit bayerischen Gewerkschaftern: "Wir sind uns in dem Ziel einig, die Handyproduktion in Deutschland zu halten." Die Standorte München, Kamp-Lintfort und Bocholt müssten erhalten bleiben. "Wir erwarten auch, dass Siemens den Beschäftigten die Chance gibt, wieder in die Siemens-Familie zurückzukehren", sagte Huber und kündigte ein Treffen Kleinfelds mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber an.

Unterstützung durch den Verbraucher?

Die Verbraucher könnten die betroffenen Arbeitnehmer durch den Kauf von BenQ-Siemens-Handys unterstützen. "Ohne Markt keine Zukunft", sagte Huber. Hallweg sagte, alle Mobiltelefone mit diesem Markennamen kämen zur Zeit aus Deutschland. Rufe nach staatlicher Hilfe seien völlig fehl am Platz, sagte Neugebauer: "In oberster Verantwortung steht BenQ und steht Siemens." Huber sagte, das EU-Recht erlaube ohnehin kaum Hilfe.

BenQ hatte am Freitag (29.9.) Antrag auf Insolvenz gestellt, nachdem der taiwanesische Mutterkonzern am Donnerstag alle Zahlungen eingestellt hatte. Betroffen sind rund 3.000 Beschäftigte in München sowie an den nordrhein-westfälischen Standorten Bocholt und Kamp-Lintfort. (ina)