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Bergoglio! Wer?

Bernd Riegert, Rom14. März 2013

Regen, Kälte und stundenlanges Warten waren vergessen, als der neue Papst Franziskus auf die Loggia des Petersdoms trat. Für die meisten Gläubigen war diese Wahl eine Riesenüberraschung. Gejubelt haben sie trotzdem.

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Papst Franziskus blickt auf die Gläubigen auf dem Petersplatz (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Gespannt lauschten die Menschen nach dem "Habemus Papam" auf den Namen des im Konklave gewählten Kardinals. "Bergoglio!" schallte über den Platz. Viele sahen sich ratlos an. "Wer ist das? Hat jemand den Namen verstanden?", fragten viele. Erst nach einigen Minuten war klar, es geht um einen Argentinier. Den hatte niemand so richtig als Kandidat auf dem Schirm. Dann wurde im Nieselregen auf iPads und Smartphones heftig gegoogelt. Es wurde klarer: Ein 76-jähriger Sohn italienischer Einwanderer, Erzbischof von Buenos Aires. Er hat in Deutschland studiert und ist der erste Jesuit auf dem Heiligen Stuhl. Die ersten "Francesco, Francesco"-Sprechchöre waren zu hören.

Die dunkelroten Samtvorhänge an der Loggia bewegten sich erst einige Minuten später. Ganz in weiß trat der neue Papst an die Brüstung, sah die riesige Menschenmenge zu seinen Füßen, stutzte etwas und sagte dann auf Italienisch: "Brüder und Schwestern! Guten Abend! Meine Kollegen Kardinäle haben ausgerechnet jemanden vom anderen Ende der Welt ausgesucht." Die Menge lacht, das Eis ist gebrochen. Jubel, als der neue Papst von Brüderlichkeit und Liebe auf einem neuen Weg der Kirche spricht.

Sprachlos vor Begeisterung

Emanuel Sargari (r.) mit argentinischen Freunden (Foto: DW)
Erstaunt und völlig aus dem Häuschen: Emanuel Sargari (r.) mit argentinischen FreundenBild: DW/B.Riegert

Eine kleine Gruppe von Argentiniern, die fast ganz vorne an der Brüstung am Fuß der Treppen zum Petersdom ausgeharrt hat, ist völlig aus dem Häuschen. "Ich kenne den Papst nicht persönlich, aber er ist so ein guter Mann", schwärmt eine Frau aus Buenos Aires in die zahlreichen Fernsehkameras. Emanuel Sargari aus Santa Fe, Argentinien, hüpft wie ein Gummiball mit seinen Freunden auf und ab. "Er war kein Favorit. Ich kann gar nicht reden, weil ich so aufgeregt bin!" Vor lauter Aufregung vergisst Emanuel sogar die große argentinische Flagge zu schwenken, die er extra mitgebracht hat. "Es ist eine wirkliche Überraschung. Und jetzt machen wir eine große Party."

Bescheidener Oberhirte

Der neue Papst scheint weniger temperamentvoll. Er winkt nur ein wenig mit einer Hand, wirkt etwas unsicher, was in welcher Reihenfolge zu tun ist. Aber er bringt die Massen tatsächlich zum Schweigen. Zehntausende folgen seiner Aufforderung, still für eine Minute zu beten. Die Sprechchöre verstummen. Die Menschen senken die Häupter. Dann spendet Franziskus der Stadt Rom und dem Erdkreis seinen ersten Segen. Der Papst zögert ein wenig, wendet sich zum Gehen, kehrt dann zurück. Er verlangt erneut das tragbare Mikrofon. Das funktioniert erst mit Verzögerung. Dann sagt er: "Vielen Dank, dass ihr mich so freundlich aufgenommen habt. Gute Nacht!"

Viele Italiener auf dem Platz sind ein wenig enttäuscht, dass nicht ihr Kandidat, der Mailänder Kardinal Angelo Scola gewählt wurde. "Na, immerhin hat er italienische Vorfahren", bemerkt eine ältere Dame. Und ihr Mann meint lächelnd, es hätte ja auch schlimmer kommen können: "Stell dir vor, sie hätten Berlusconi gewählt!"

"Franziskus" könnte Programm sein

Robert Shay (Foto: DW)
Angenehm überrascht: Priesteramtsanwärter Robert Shay aus den Vereinigten StaatenBild: DW/B.Riegert

Der angehende US-amerikanische Priester Robert Shay ist mit der relativ schnellen Wahl nach nur fünf Urnengängen zufrieden. "Ich glaube, jeder hier war überrascht. Jeder hat jemanden auf der Liste gehabt. Aber es ist fantastisch. Franziskus ist ein toller Name. Wir sind alle sehr aufgeregt." Der heilige Franziskus hat Armut für die Kirche gepredigt. Die Auswahl des Namen durch Jorge Mario Bergoglio könnte in eine Richtung deuten, vermutet Shay auf dem Petersplatz: "Er ist ein einfacher Mann, er fährt mit dem Bus zur Arbeit. Er ist sehr bescheiden. Vielleicht bringt er davon etwas in sein Pontifikat ein. Mit dem Namen Franziskus bringt er vielleicht eine gewisse Einfachheit in die Kirche. Aber das wissen wir noch nicht."

Nach der Verkündung auf dem Petersplatz aßen die 114 Kardinäle und der Papst gemeinsam zu Abend, bevor Franziskus dann den apostolischen Palast bezog. Wer wie abgestimmt hat, wird man voraussichtlich nie erfahren. Die Kardinäle haben einen heiligen Eid geschworen, darüber Stillschweigen zu wahren.

"Kirche erneuern"

Heinz Sander (Foto: DW)
Heinz Sander hält die bayerische Fahne hoch, auch wenn Benedikt Geschichte istBild: DW/B.Riegert

Die deutschen Papstfans sind immer noch ein wenig traurig, dass Benedikt XVI. abgedankt hat. Heinz Sander ist aus Traunstein in Bayern nach Rom gefahren. Die Wahl von Benedikts Nachfolger zu erleben, geht ihm nahe. "Das ist ein ganz hervorragendes und feines Gefühl, weil wir hatten die Reise eigentlich gebucht, um bei der Generalaudienz mit dem Papst Benedikt zu sein. Jetzt haben wir halt die Möglichkeit und das Glück, die Wahl eines neuen Papstes gleich direkt zu erfahren", so Heinz Sander. Wer der neue Papst da oben auf dem Balkon allerdings ist, das weiß auch der bayerische Katholik nicht so recht einzuschätzen und auch nicht, was man von Franziskus erwarten soll.

Relativ klare Vorstellungen hat dagegen Anne Grotewend aus Greifswald in Norddeutschland. "Er soll auf die Evangelischen zugehen, er soll auf die Frauen zugehen und die Kirche moderner machen und erneuern", fordert Anne Grotewend, die selbst evangelisch ist und in ihrer Kirche engagiert mitarbeitet. Das Schauspiel auf dem abendlichen Petersplatz wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. "Ich will den neuen Stellvertreter Jesu sehen. Dafür wäre ich auch zehn Tage hintereinander hierher gekommen." So wurden es viel weniger, weil das Konklave schon nach fünf Wahlgängen in eineinhalb Tagen zu Ende ging.