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NSA-Sonderermittler wirft USA Vertragsbruch vor

30. Oktober 2015

Der Sonderermittler der Bundesregierung zur NSA-Spähliste erhebt einem Medienbericht zufolge schwere Vorwürfe gegen den US-Geheimdienst. Demnach haben die USA gegen Verträge verstoßen. Berlin reagiert.

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Abhörstation Bad Aibling
Abhörstation Bad AiblingBild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth

Die Bundesregierung hatte den früheren Bundesrichter Kurt Graulich beauftragt, die Liste der NSA-Selektoren zu sichten. Dabei handelt es sich um Suchbegriffe, die der Bundesnachrichtendienst (BND) von der NSA erhielt, um sie für den US-Partnerdienst in seine Überwachungssysteme einzuspeisen und die Ergebnisse dann weiterzuleiten.

Kurt Graulich (Foto: Picture alliance, dpa)
Kurt GraulichBild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Einem Bericht von "Spiegel Online" zufolge kommt der Sonderermittler in einem fast 300 Seiten dicken Abschlussbericht nun zu dem Ergebnis, dass die USA mit ihren Spähzielen klar gegen vertragliche Vereinbarungen verstoßen haben. Denn: Auch deutsche Ziele, die durch das Grundgesetz vor der Ausforschung eigener Nachrichtendienste besonders geschützt sind, sind laut Graulich "in überraschend großer Anzahl" auf der Wunschliste des US-Geheimdienstes NSA zu finden. Darunter seien auch zahlreiche Wirtschaftsunternehmen aus oder mit Sitz in Deutschland gewesen.

BND lehnt Suchbegriffe ab

Grundlage der Untersuchung sei eine Liste von gut 39.000 Suchbegriffen der NSA, die der BND im Zeitraum von 2005 bis März 2015 in einer Ablehnungsliste zusammengefasst habe, weil sie gegen deutsche oder europäische Interessen verstießen. Die große Mehrzahl der Suchbegriffe waren E-Mail-Adressen.

Laut dem Bericht seien die meisten dieser Suchbegriffe, oder Selektoren, aussortiert worden, bevor sie in die Überwachungssysteme eingespeist wurden, schreibt "Spiegel Online". Teilweise aber seien sie länger als 100 Tage aktiv gewesen.

Mehrzahl der Selektoren betrafen EU-Regierungsstellen

Fast 70 Prozent der aussortierten Selektoren habe Regierungsstellen von EU-Ländern betroffen. Bei zwei Dritteln aller 28 EU-Mitgliedsstaaten habe man Treffer gefunden, heiße es in dem Bericht. Knapp 16 Prozent der Selektoren hätten aber auch Telekommunikationsteilnehmer in Deutschland betroffen. Sie sind durch das Grundgesetz vor Ausspähung durch eigene Nachrichtendienste geschützt. Die meisten dieser Telefon-, Fax- oder E-Mail-Adressen seien vom BND aber herausgefiltert worden, bevor sie aktiv wurden, so der Bericht.

Graulich habe auf informellem Wege versucht, von der NSA eine Erklärung für die offenbar rechtswidrige Selektorenauswahl zu bekommen, schreibt dem Bericht zufolge der Sonderermittler. Die Amerikaner hätten jedoch nicht reagiert. Laut "Spiegel Online " hat der Gutachter festgestellt, dass die Zusammenarbeit zwischen NSA und BND "weder transparent noch für die deutsche Seite steuerbar" gewesen sei.

Berlin reagiert

Die Bundesregierung will nun die Arbeit des BND strenger regulieren. Vize- Regierungssprecherin Christiane Wirtz teilte mit, es gebe zwar nach wie vor keine Hinweise auf eine massenhafte Ausspähung deutscher und europäischer Bürger. Allerdings gebe es technische und organisatorische Defizite, deswegen solle nun das Auftragsprofil des BND überarbeitet werden.

Neben einer internen Untersuchung der Strukturen und Abläufe in der BND-Abteilung "Technische Aufklärung" werde zusätzlich eine "umfassende externe Überprüfung bis Ende dieses Jahres initiiert", sagte Wirtz. Geplant sei auch eine klarstellende gesetzliche Regelung zur strategischen Fernmeldeaufklärung des Auslandsgeheimdienstes.

Aussage vor dem U-Ausschuss

Am kommenden Donnerstag wird Graulich vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags als Sachverständiger auftreten.

Erst im Frühjahr 2015 war bekanntgeworden, dass der BND über seine bayerische Abhörstation Bad Aibling tausende Spionageziele des US-Geheimdienstes NSA steuerte.

chr / cr (dpa, afp)