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Lifestyle

Eine für Alle - Unisex-Toiletten in Berlin

Gero Schließ
29. Januar 2017

Der Berliner Senat will Unisex-Toiletten einführen. Das führt in Berlin zu einem regelrechten Kulturkampf um das Klo. Kolumnist Gero Schließ hat schweren Herzens Partei für das neue Modell ergriffen. Mit gutem Grund!

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Deutschland Unisex-Toiletten in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Mein erstes Mal hatte ich auf der Berlin Fashion Week. Dort war ich vor wenigen Tagen völlig überraschend auf eine Unisex-Toilette geraten. Das Ganze begann allerdings mit einer unliebsamen Überraschung: einer langen Warteschlange. Als ich genau hinschaute, bemerkte ich viele Frauen und wenige Männer. Die Frauen in geübter, gottergebener Geduld. Die Männer leicht genervt und unablässig am Handy spielend.

Auf der Toilette bitte im Sitzen pinkeln

Unisex-Toiletten in Berlin
Unisex-Toilette in BerlinBild: DW/G. Schließ

Ein Blick auf das kleine Kartonschild über der Tür zum Toilettenraum ließ keinen Zweifel zu: Das hier war eine der in Berlin heiß diskutierten "Unisex-Toiletten", die der neue rot-rot-grüne Senat als eine seiner ersten Amtshandlungen für alle öffentlichen Gebäude verordnen will. Bei meinem "ersten Mal" reichten ein paar Zeichenstriche auf dem Karton über der Tür aus, um mir die neue Bestimmung klarzumachen: Auf das Nötigste reduziert, aber völlig unmissverständlich, sah ich da Mann und Frau, Seite an Seite. Ganz friedlich.

Anders dann drinnen. "Im Sitzen pinkeln!" schallte es mir mit scharfer Stimme nach, als ich mich in dem schmalen Schlauch zwischen Waschbecken und den neu erbauten Toilettenzellen an zwei Frauen vorbeiquetschte und dann die Zellen-Tür hinter mir verriegeln wollte. Ich hatte die Damen bei aufwändiger Schminkarbeit gestört und umgehend einen vorbeugenden Verweis kassiert.

Das gute alte "Same-Sex"-Klo

08.2016 Kolumne Gero Schließ
Kolumnist Gero Schließ schildert jede Woche seine ganz persönliche Sicht auf das Berliner Leben.

Es wird Sie kaum wundern: Ich mag diese Unisex-Toiletten nicht. Für mich als Mann haben sie nur Nachteile gegenüber dem guten alten Same-Sex-Klo: lange Wartezeiten, enge Möblierung, keine komfortablen Pissoires, dafür weibliche Beschallung und Mädels-Talk über Handtaschen, Lippenstifte - und Männer. Die Frauen haben jetzt auch noch die letzte Männerbastion erobert, denke ich grimmig. Wir sind nicht mehr "unter uns".

Auch wenn es mir schwer fällt, lieb gewordene Gewohnheiten aufzugeben: Ich bin dennoch ein Anhänger der "Toilette für alle". Sie denken, ich wäre ein politisch ganz Korrekter! Darum geht es nicht.

Aber waren Sie als Mann schon mal aus Versehen bei den Frauen pinkeln? Oder umgekehrt Sie als Frau schon mal heimlich bei den Männern, weil es schneller geht?
Man fühlt sich da doch höchst unwillkommen. Und genauso geht es den Transgender-Menschen oder denjenigen, die ihr biologisches Geschlecht als falsch empfinden. Ein Spießrutenlauf. Und immer wieder die blöden Kommentare.

New York als  Vorbild für Unisex-Toiletten in Berlin

USA Unisex-Toilette in New York
Amerika ist Vorreiter bei "All-Gender" ToilettenBild: picture alliance / Photoshot

New York hat als erste große Stadt Konsequenzen gezogen. Im letzten Jahr beschloss der Stadtrat mit einer überwältigenden 47 zu 2 Mehrheit eine stadtweite Pflicht zur Unisex-Toilette. Man wolle den Transgender-Menschen und denen, die sich keinem Geschlecht richtig zugehörig fühlen, ein "einladendes Umfeld" schaffen, hieß es im Ratsbeschluss. Bis Anfang dieses Jahres haben deswegen tausende von New Yorker Restaurant- und Barbetreibern umgerüstet. Gut so!

Ich kann mir jetzt vorstellen, was viele von Ihnen denken: Gefühlt geht die Welt gerade unter, Trump tobt im Westen, Putin poltert im Osten und wir dazwischen ringen um Fassung. Haben die keine anderen Sorgen?

Na klar: Unisex-Toiletten retten nicht mal eben die Welt. Auch hier in Berlin lösen sich durch die Toiletten-Reform drängende Probleme wie Wohnungsknappheit oder Bildungsnotstand nicht in Luft auf. Aber die Einführung der "All-Gender-Toilette" ist keine Politik für wenige. Sie ist alles andere als ein Ausweis der Klientelpolitik, wie die Wochenzeitung "Die Zeit" behauptet.

Der Kampf gegen Diskriminierung auf der Toilette

Deutschland Unisex-Toiletten in Berlin
In Deutschland sind Unisex-Toiletten noch die AusnahmeBild: Getty Images/S. Gallup

Wie wir zusammenleben wollen in einer offenen Gesellschaft, wie wir auch krass unterschiedliche Lebensentwürfe respektieren und schützen, das entscheidet sich eben auch an diesem sehr speziellen Ort. Der Kampf gegen Diskriminierung von Minderheiten beginnt genau hier. Diesem Argument kann ich mich nicht verschließen, auch wenn es mit der Ruhe am einstmals "stillen Örtchen" bald vorbei sein könnte.