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Vernetzte Sicherheit für Afghanistan

Sabine Hartert-Mojdehi17. Mai 2012

Der geplante Truppenabzug aus Afghanistan bis Ende 2014 wirft viele Schatten voraus. Partnerschaftsabkommen sollen die weitere Unterstützung sichern. Auch Berlin unterzeichnete ein Abkommen mit Kabul.

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Afghanen in traditioneller Kleidung (Foto: DW)
Bild: DW

Durch die Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens wollen der afghanische Präsident Hamid Karsai und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch (16.05.2012) in Berlin die Zusammenarbeit für die verbleibende Zeit vor dem Abzug und die darauf folgende Dekade auf eine feste Basis stellen. Der Sprecher des Auswärtiges Amtes, Andreas Peschke, sagte, Deutschland werde sich für den politischen Wandel und Wiederaufbau in Afghanistan engagieren - wie auf der Bonner Afghanistan-Konferenz vereinbart.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte bereits während seines letzten Besuchs der deutschen Soldaten in Afghanistan Mitte März ein solches Abkommen angekündigt. Militärische Hilfe, und darunter fällt auch die Ausbildung der afghanischen Armee durch deutsche Soldaten, werde jedoch im NATO-Verbund geregelt. "Man muss sich in Deutschland darüber klar werden, dass noch Hunderte von Soldaten in den nächsten fünf bis sechs Jahren in Afghanistan tätig sein werden", sagt Conrad Schetter, stellvertretender Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn und Koordinator des wissenschaftlichen Netzwerks Crossroads Asia. Gegenwärtig werde eine Zahl von 500 bis 1000 Soldatinnen und Soldaten diskutiert.

Vernetzte Sicherheit…

Aus Schetters Sicht ist das Thema Sicherheit in Afghanistan nach dem Truppenabzug zentral für die weitere Entwicklung des Landes, zumal er bei der Polizeiausbildung noch viele Defizite sieht. Häufig seien "Polizisten mehr oder weniger Banditen in Uniform, die sich nicht dem Staat, sondern ihren Warlords verpflichtet fühlten."

Conrad Schetter (Foto: Conrad Schetter)
Conrad Schetter:"Auch Deutschland wird in den kommenden Jahren noch Soldaten in Afghanistan belassen"

Das Sicherheitskonzept der internationalen Gemeinschaft hatte vorgesehen, nach dem Abzug der ISAF-Truppen gut 350.000 Mann am Hindukusch zu belassen. Doch nun scheinen finanzielle Probleme dazu zu zwingen, diese Zahl deutlich zu reduzieren, nämlich auf etwa 230.000 Mann, wie Spiegel-online berichtet. Schetter befürchtet, dass dann Sicherheitsaufgaben an Warlords fallen und so das Sicherheitsmonopol des Staates gefährden könnten. Und er geht noch einen Schritt weiter, indem er die Intervention in Afghanistan mit der in Somalia vergleicht.

Es seien sehr viele Waffen nach Afghanistan geliefert werden, die Arsenale der Warlords seien gut gefüllt. Wenn es nun nicht gelinge, den begonnenen Prozess kontinuierlich zu verfolgen, müsse man mit neuerlicher Gewalt rechnen, wie das in Somalia nach Ende der internationalen Intervention in den 1990er Jahren geschehen sei.

Derzeit kontrollieren die afghanischen Sicherheitskräfte etwa 50 Prozent des Landes, bis Ende 2012 sollen es drei Viertel sein. Neben dem sicherheitspolitischen Engagement geht es aber auch um die zivilen Aktivitäten, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Joachim Spatz, der den Bundestagsunterausschuss "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit" leitet, im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Vorstellbar seien Maßnahmen zur Aufbauhilfe beim Bildungssystem und der Infrastruktur, fügt Spatz hinzu. Letztere sei nötig, um Investoren anzulocken. Diese bräuchten bestimmte Rahmenbedingungen, zu denen auch gute Regierungsführung gehört.

… und intensive Entwicklungszusammenarbeit

Der Wissenschaftler Schetter bewertet es positiv, dass der deutsche Etat für die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan auch über 2014 hinaus gut ausgestattet sein wird. Deutschland ist drittgrößter Geber in der Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan. Im vergangenen Jahr war die Hilfe mit 430 Millionen Euro fast doppelt so hoch wie 2010.

Das zeige einerseits den zivilen Aspekt der künftigen Zusammenarbeit. Andererseits sei durchaus denkbar, dass sich das Verhältnis der Entwicklungshelfer zur lokalen Bevölkerung nach dem Abzug wieder verbessere. Denn, so fährt der Wissenschaftler im Gespräch mit der Deutschen Welle fort, "es ist ein Mythos, dass die Bundeswehr dazu da sei, die Entwicklungshelfer zu schützen". Es gebe viele Fälle, bei denen man nachweisen könne, dass deren Lage durch den Militäreinsatz beeinträchtigt worden sei. So verschlechterte sich etwa die Lage deutscher Entwicklungsorganisationen, die bereits zu den Zeiten der Taliban in Kunduz agierten, nach der Stationierung von NATO- und Bundeswehrsoldaten dramatisch.

Polizist mit Waffe (Foto: REUTERS)
Ein afghanischer Polizist auf Wachposten in KabulBild: Reuters

Manchmal sei der entwicklungspolitische Ansatz auch nicht optimal gewesen, wie zum Beispiel bei der Verteilung der Projekte auf Nord- und Südafghanistan. Im Süden des Landes, wo es vergleichsweise zu vielen Kampfhandlungen kam und die Sicherheitslage sehr verletzlich sei, habe man wesentlich mehr investiert als in den Norden. Damit hat sich gewalttätiges Verhalten direkt bezahlbar gemacht. Das sei für die Bevölkerung manchmal schwer nachvollziehbar.

Der FDP-Politiker Spatz wünscht sich, dass auch die umliegenden Länder noch mehr in die Konzepte für Afghanistan mit einbezogen werden. "Sicherheit", so Spatz, "hängt auch unmittelbar davon ab, ob in der zentralen Region, wo alle aufeinander stoßen, einigermaßen auskömmliche Verhältnisse herrschen." Afghanistans Nachbarn bereiten sich schon vor auf die Vernetzung der Region Zentralasien, die nicht zuletzt wegen ihres Rohstoffreichtums als Zukunftsregion gilt, und bauen ihre Infrastruktur kräftig aus. Nun muss Afghanistan mit internationaler Hilfe den Anschluss finden.

Joachim Spatz (Foto: "de Selliers, Würzburg")
Joachim Spatz: "Gute Regierungsführung ist eine der wichtigen Rahmenbedingungen"Bild: Fotostudio de Selliers, Würzburg