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Berlin ganz päpstlich

Jens Thurau8. April 2005

Die letzen Tage im politischen Berlin waren ruhige Tage: "sitzungsfreie Wochen" im Bundestag. Aber selbst wenn dort was los gewesen wäre - es hätte wohl kaum jemanden interessiert. Alles blickte nach Rom.

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In der Stunde des Todes des Papstes gab es keine Parteien mehr. Die Deutschen hätten allen Grund, dem Papst zu danken, so Bundespräsident Horst Köhler. Johannes Paul II. sei ein Papst von geschichtlicher Bedeutung gewesen, so Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. CDU-Chefin Angela Merkel nannte ihn ein "personifiziertes Weltgewissen", und Bundeskanzler Schröder stellte schlicht fest: Dieser Papst sei geliebt worden.

Eigentlich gibt es kein anderes Thema mehr, seit der Papst gestorben ist. War da vielleicht noch irgendwas?! Milliarden-Verschuldung, Rekordarbeitslosigkeit, Krise des Arbeitsmarktes? Außenminister Joschka Fischer geht in der Frage des Waffenembargos gegen China auf Distanz zum Kanzler? Programmatischer Kleinkrieg in der FDP zwischen Parteichef Guido Westerwelle und Fraktionschef Wolfgang Gerhardt? Das alles wirkte profan, weltlich, kleinlich, unbedeutend.

Stattdessen fand sich am Tag vor der Papst-Beerdigung auf dem Flughafen in Berlin-Tegel eine Reisegesellschaft ein, die es so wohl kaum wieder geben wird. Ein- unddasselbe Flugzeug bestiegen: der Bundespräsident, der Bundestagspräsident, die Oppositionsführerin, die Kardinäle Lehmann und Sterzinsky, CSU-Chef Edmund Stoiber, Bundesratspräsident Dieter Althaus. Es hätte nicht viel gefehlt, und auch der Bundeskanzler und der Vizekanzler wären an Bord gewesen, um nach Rom zum Begräbnis zu fliegen. Doch da mögen dann doch die Sicherheitsbedenken zu groß gewesen sein: Die gesamte politische Elite des Landes zusammen in der Luft? Undenkbar. Schröder und Fischer flogen separat – von Hannover aus.

Schon wird im politischen Berlin spekuliert, wem die Aufmerksamkeits-Pause mehr nützt: der Regierung oder der Opposition. Am 18. April beginnt in Rom das Konklave, keiner weiß, wie lange es dauert, gut möglich, dass die Politiker noch weitere zwei Wochen Luft holen können. Eigentlich sollte jetzt der Wahlkampf für die Landtagwahl in Nordrhein-Westfalen auf Hochtouren laufen. Und am 25. April sagt Außenminister Joschka Fischer im Visa -Untersuchungsausschuss aus, vielleicht wird das live im Fernsehen übertragen.

Aber – wie gesagt – das interessiert derzeit niemanden. Was auch nicht so recht funktioniert: Trittbrettfahren. Die Forderung jedenfalls, die Karl-Marx-Alle in Berlin umgehend in Johannes - Paul II.-Allee umzubenennen, nahm zunächst kaum jemand ernst. Auf die Idee gekommen war immerhin die Berliner CDU. Gregor Gysi, Politik-Star vom anderen Ende des politischen Spektrums, fand die Idee sogar gut. Eine außergewöhnliche Zeit – mit außergewöhnlichen Allianzen.