1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Endlich Urlaub

Nina Werkhäuser25. Juli 2012

Mit dem Besuch der Wagner-Festspiele in Bayreuth hat für Bundeskanzlerin Angela Merkel der Sommerurlaub begonnen. Hinter ihr liegt ein turbulentes halbes Jahr - und vor ihr die Bundestagswahl 2013.

https://p.dw.com/p/15dzM
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Mann Joachim Sauer bei den Wagner-Festspeilen in Bayreuth Foto: Michaela Rehle
Bild: Reuters

Diesmal also keine launige Sommer-Pressekonferenz. In den vergangenen Jahren hatte die Bundeskanzlerin stets noch einmal ausführlich mit der Hauptstadtpresse geredet, bevor sie in den Urlaub fuhr. In diesem Jahr verzichtete Angela Merkel auf die Werbung in eigener Sache - und auch auf unangenehme Fragen. Sie geht in den Bergen wandern zusammen mit ihrem Mann Joachim Sauer. Ihr Handy bleibt an, aber trotzdem: endlich ein paar Tage ohne Kabinettssitzungen, EU-Gipfel und Krisenmanagement.

Der Urlaub begann für Merkel am Mittwoch (25.07.2012) bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth, wo "Der Fliegende Holländer" in einer Neuinszenierung Premiere hatte - die Geschichte jenes Kapitäns, der auf seinem Geisterschiff über die Weltmeere irrlichtert, nachdem er das Kap der Guten Hoffnung nicht umrunden konnte. Auch durch Berlin zogen in diesem Jahr einige politische Stürme. Und die rührten nicht etwa daher, dass die "Piraten" in weitere Landesparlamente einzogen und damit bürgerliche Mehrheiten erschwerten. Das erste Halbjahr 2012 war für Angela Merkel in jeder Hinsicht turbulent.

Krise als Dauerzustand

Die Stabilisierung des Euro ist eine schier unendliche Geschichte. Neben dem Dauerpatienten Griechenland braucht jetzt auch Spanien Milliardenhilfen. Der Bundestag eilte zu einer Sondersitzung in der Sommerpause zusammen, um die Gelder im Schnellverfahren freizugeben. Nicht alle aus Merkels Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP stimmten mit. "Wir bekommen immer die Mehrheiten, die wir brauchen", wies die Bundeskanzlerin die Kritiker in die Schranken. Auch im Urlaub wird sie verfolgen, wie es um den Euro steht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, auf dem Balkon des Kanzleramts in Berlin. Foto: dapd
Euro-Rettung: Merkel und EU-Kommissionspräsident BarrosoBild: dapd

Und wie steht es um ihr Krisenmanagement? In Europa wird Merkel vielfach angefeindet als gestrenge Verfechterin von Sparauflagen. Gleichzeitig sieht sie sich mit wachsenden Zweifeln im eigenen Land konfrontiert: Wird hier gutes Geld schlechtem sinnlos hinterher geworfen? - fragen die Skeptiker. Gibt die Bundeskanzlerin in Brüssel vielleicht doch die Interessen der Steuerzahler preis? "Auch Deutschlands Kräfte sind nicht unendlich", sagt Merkel selbst.

Bundespräsident Joachim Gauck mahnte: "Die Kanzlerin hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet, auch fiskalisch bedeutet". In der Wahrnehmung vieler Bürger geht die Euro-Rettung einher mit der Entmachtung des Parlaments - ihrer gewählten Vertretung - zugunsten einer Brüsseler "Finanzdiktatur". Das Bundesverfassungsgericht prüft derzeit, ob das Haushaltsrecht des Bundestags durch den dauerhaften Rettungsschirm ESM verletzt wird.

Schwere Zeiten, schwache Regierung

Europas Finanzprobleme haben teilweise davon abgelenkt, dass Merkels  schwarz-gelbe Regierungstruppe im ersten Halbjahr 2012 erneut ein schwaches Bild abgab. Die FDP bremste ihren politischen Niedergang durch Erfolge bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit Mühe ab, hat sonst aber wenig vorzuweisen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Foto: dapd
Stressige Wochen: Merkel im siebten Jahr ihrer KanzlerschaftBild: AP

Mangels anderer Erfolge können sich die Liberalen auf die Fahnen schreiben, dass sie Joachim Gauck als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten gegen Merkels Willen mit durchgesetzt haben. Mit seinem öffentlichen Triumphieren über diesen "Coup" sammelte FDP-Chef Philipp Rösler Minuspunkte bei der Kanzlerin. Der Rücktritt ihres Wunsch-Bundespräsidenten Christian Wulff im Februar war für Merkel ohnehin schon eine Pleite gewesen.

Auf Bundesebene lässt sich kaum ein politisches Projekt nennen, das die Bundesregierung handwerklich sauber und ohne interne Querelen über die Bühne gebracht hat. Komplexen Vorhaben wie der Energiewende scheint die Regierung streckenweise nicht gewachsen zu sein. Außerdem schärfen alle drei Parteien, CDU, CSU und FDP, ihr Profil immer wieder gerne auf Kosten der Koalitionspartner.

Unangefochten an der Spitze 

Die Bundeskanzlerin bleibt bei Streitereien in den eigenen Reihen meist in der Deckung - es sei denn, sie wittert Gefahr. Ins erste Halbjahr 2012 fiel Merkels bisher einziger Rauswurf eines Ministers. Es traf Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der die CDU im wichtigen Bundesland Nordrhein-Westfalen in den Wahlkampf führte - und kläglich scheiterte.

Der frühere Umweltminister Norbert Röttgen, Foto: dapd
Fiel in Ungnade: Norbert RöttgenBild: dapd

Die Machtpolitikerin Merkel sah ihre Autorität angekratzt und schasste kühl ihren einstigen engen Vertrauten, der lange als das große politische Talent seiner Partei galt. Die Personaldecke der Christdemokraten ist ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl auffällig dünn. Die wichtigen CDU-Landesverbände in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg liegen nach Skandalen und Wahlniederlagen am Boden. Eine weitere Baustelle für die CDU-Vorsitzende.

Merkel will eine dritte Amtszeit

Seit November 2005 ist Angela Merkel Bundeskanzlerin, und sie will es auch nach der Bundestagswahl im September 2013 bleiben. "Die Arbeit macht mir Spaß", sagt die 58-Jährige. In der Opposition ist bisher niemand in Sicht, der Merkels Rückhalt in der Bevölkerung mit Leichtigkeit erschüttern könnte. In Krisenzeiten wiegen ihre Erfahrung und ihr außenpolitisches Gewicht schwer. Eher könnten gewisse Ermüdungserscheinungen auf beiden Seiten - bei der Kanzlerin und bei den Wählern - einen Wechsel befördern. Müde wirkte Merkel in der Tat häufig in den vergangenen Wochen - und sie hat ihren Sommerurlaub vermutlich herbeigesehnt.