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Berufswunsch Pfarrer

29. November 2010

Früher war es ein Traumjob mit hohem Ansehen. Heute wollen immer weniger Studenten Pfarrer werden. Wer sich aber dafür entscheidet, studiert mit Engagement Theologie. Denn er glaubt an die Zukunft der deutschen Kirchen.

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Der "Heilige Berg", die Gebäude der Kirchlichen Hochschule Wuppertal und die Kapelle (Foto: Kirchliche Hochschule Wuppertal)
Bild: Bischöfliche Priesterseminar Borromaeum Münster

Kaum hatte Henriette Rerich das Abitur in der Tasche, war für sie klar: "Ich möchte evangelische Pfarrerin werden." Erstaunte Blicke habe sie mit diesem Berufswunsch nicht auf sich gezogen, erzählt die 22-jährige Studentin. Im Gegenteil. "Ich bin seit meiner Kindheit in der Kirche engagiert, deshalb waren meine Freunde nicht überrascht." Dass Pfarrerin nicht gerade zu den Traumjobs deutscher Jugendlicher gehört, macht Henriette nichts aus. Sie findet, der Beruf passt gut zu ihr, und sie ist dafür auch bereit, ein langes und schwieriges Studium zu absolvieren.

Auch Benedikt Kern möchte gerne Pfarrer werden. Doch bei ihm hat die Entscheidung weitreichende private Konsequenzen. In der katholischen Kirche, zu der er gehört, muss er als Priester ohne Familie leben. Den Zölibat aber nimmt er für seinen Traumberuf in Kauf. "Der Einsatz für Menschen und sich dabei ganz von Gott tragen zu lassen" – das hat ihn im Sommersemester 2010 nach Münster geführt. Dort studiert und wohnt er gemeinsam mit 49 anderen Studenten im Priesterseminar.

Theologie heißt: Sprachen lernen

Leiter der Priesterausbildung an der Universität Münster, Andreas Tapken (Foto: Bischöfliches Priesterseminar Borromaeum Münster)
Andreas Tapken, Leiter des Priesterseminars an der Uni MünsterBild: Andreas Tapken

"Die Studenten, die zu uns kommen, sind häufig sehr idealistisch", beobachtet Andreas Tapken, der das Priesterseminar in Münster leitet. "Sie möchten etwas Großes und Sinnvolles machen und wollen für Gott und die Menschen da sein." Bis es soweit ist, müssen die Theologiestudenten aber einige Hürden nehmen. Zwar gibt es in Deutschland keinen Bachelor und Master, aber das Studium ist in Module mit vielen Zwischenprüfungen gegliedert. Bereits die ersten Hürden sind hoch: Alle Studenten müssen Hebräisch, Griechisch und Latein pauken, um die Bibel im sogenannten "Urtext" lesen zu können.

Damit sie die alten Sprachen möglichst schnell und gut lernt, hat sich Henriette Rerich nicht für eine große Universität mit Theologischer Fakultät entschieden, sondern für die kleine Kirchliche Hochschule in Wuppertal, kurz KiHo genannt. Hier sind derzeit rund 200 Studierende eingeschrieben. "Es herrscht eine familiäre Atmosphäre, in der man gut arbeiten kann", meint Henriette. Das sieht Gil Ju Jang ähnlich. Der 34-jährige Student ist extra aus Südkorea nach Wuppertal gekommen, um seine Doktorarbeit zu schreiben. "Hier ist das wissenschaftliche Niveau höher als in Korea oder den USA", meint er.

Keine Jobgarantie für evangelische Theologen

Theologiestudenten Henriette Rerich und Eril Ju Jang im Wohnheim der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (Foto: Sabine Damaschke)
Theologiestudenten im Wohnheim der Kirchlichen Hochschule WuppertalBild: DW

Gil Ju Jang möchte Theologieprofessor in Südkorea werden. Bevor er an der Universität Karriere machen kann, muss aber auch er ins Pfarramt gehen. Für ihn ist das keine lästige Pflicht, sondern der eigentliche Grund, weshalb er Theologie studiert. "Früher gab es viele Studierende, die sich für die Theologie entschieden haben, ohne genau zu wissen, was sie damit eigentlich machen wollen", erzählt Alexander Ernst. Der Dozent für Hebräisch ist "Ephorus" der Hochschule, d. h. er leitet die Studienberatung. "Heute haben die meisten ihr Berufsziel, Pfarrer zu werden, klar vor Augen."

Und das in einer Zeit, in der die Kirchen immer kleiner werden und Personal abbauen. Zwar haben sich in den vergangenen Jahren immer weniger junge Leute für ein Theologiestudium, das immerhin sechs bis sieben Jahre dauert, entschieden. "Noch hat die evangelische Kirche mehr ausgebildete Theologen als sie bezahlen kann", sagt Ernst. Wer jetzt anfängt, Theologie studieren, hat aber gute Aussichten, eine Pfarrstelle zu finden. In den kommenden Jahren gehen viele evangelische Pfarrer in den Ruhestand. Auf der anderen Seite werden in Deutschland überall Kirchengemeinden zusammengelegt und Pfarrstellen abgebaut. Eine Jobgarantie also gibt es nicht.

Priestermangel in der katholischen Kirche

Das Bild zeigt eine aufgeschlagene Bibel, in der gerade eine Studentin liest (Foto: Kirchliche Hochschule Wuppertal)
An der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal studieren rund 200 TheologiestudentenBild: Kirchliche Hochschule Wuppertal

Ganz anders sieht die Situation in der katholischen Kirche aus. Dort fehlen schon heute so viele Pfarrer, dass jeder Priesteramtskandidat gerne genommen wird. "Wir haben große Nachwuchsprobleme", erklärt Andreas Tapken. Deutschlandweit lassen sich derzeit rund 840 junge Männer zu Priestern ausbilden – im Gegensatz zu 2421 evangelischen Pfarramtskandidaten. "Die Zahl der Bewerber ist aufgrund des Missbrauchsskandals in unserer Kirche stark zurückgegangen." Dass Priester vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren Kinder sexuell missbrauchten und dies jahrelang von der Kirchenleitung verschwiegen worden sei, habe viele Studenten stark erschüttert, sagt Tapken.

Für Benedikt Kern war das kein Grund, der Priesterausbildung den Rücken zu kehren. Im Gegenteil. Er ist genauso wie Henriette Rerich und Eril Ju Jang davon überzeugt, dass die Kirche sich verändern muss und die Studenten dazu ihren Teil beitragen können. "Ich will kein Priester sein, der nur Traditions- und Kultverwalter ist", sagt Benedikt. "Ich möchte Menschen durch mein Handeln für den christlichen Glauben begeistern."


Autorin: Sabine Damaschke

Redaktion: Gaby Reucher