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Besessene Mimen

Udo Taubitz3. Juni 2004

Das deutsche Kino hat das "wahre Leben" entdeckt: Regisseur Andres Veiel tobt sich nun darin aus. "Die Spielwütigen" heißt seine Dokumentation über vier Nachwuchsmimen. Sie ist rau, authentisch und absolut sehenswert.

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Nachwuchstalent StephanieBild: Timebandits Films

Über sieben Jahre hat Andres Veiel vier junge Menschen mit der Kamera beobachtet: Stephanie, Constanze, Karina und Prodromos bei der Aufnahmeprüfung an der Berliner Schauspielschule "Ernst Busch", im Wohnzimmer der Eltern, bei Streits mit Dozenten, in ersten Rollen, im Pfandleihhaus, bei einer Casting-Agentur in New York und bei einer Hochzeit in Israel. Sein Film zeigt vier leidenschaftliche Talente beim Erwachsenwerden; unterwegs auf die Theaterbühne, in die Vorabendserie oder im Kino.

Verglühte Sterne

"Die Spielwütigen" ist die angenehm authentische Antwort auf die Casting-Shows, die es derzeit en masse im deutschen Fernsehen zu sehen gibt. "Das ist wie in einem Durchlauferhitzer - die Leute werden angesaugt, kurzfristig nach oben gepumpt, dann hängen sie ein paar Wochen am Starhimmel rum, dann lässt man sie fallen und es kommen dann neue, die nach oben gepuscht werden", sagt der Regisseur. Bei "Deutschland sucht den Superstar" oder "Starsearch" müssen die Effekte immer greller werden und der Austausch der Möchtegern-Stars immer schneller.

Schwache Helden

Der Dokumentarfilm von Andres Veiel setzt einen Kontrapunkt. Er bietet einen langsamen, genauen Blick darauf, wie Talente zu echten Profis heranwachsen. Er zeigt, wie mit langem Atem die Verwandlung von Wünschen in Wirklichkeit gelingt. Aber er zeigt auch: Die Konkurrenz unter Schauspielern ist riesig, der Verdienst meist mager. Und nicht jede Rolle macht Spaß. Merke: Erfolg ist nicht gleich Glück. Vor allem zeigt "Die Spielwütigen" echte Menschen in ganz realen Situationen: Regisseur Andres Veiel führt die Leute nicht vor, er macht sie nicht lächerlich.

Auch wenn andere sich über sie lustig machen - zum Beispiel, als sich Prodromos bei einer Agentur in New York bewirbt, und die Leute ihn auslachen, weil er keine Rolle auf Englisch vorbereitet hat. Veiel nimmt seine "Helden" ernst, mit ihren Stärken und Schwächen. "Da heult jemand, da bricht jemand zusammen. Es kann nicht sein, das man dann noch den Zoom ranzieht, um jede einzelne Träne zu sehen. Ich zeige einfach manche Dinge nicht, und lasse den Figuren ihre Aura des Privaten", erklärt Andres Veiel.

Naive Stars

Und das macht seinen Film nicht weniger spannend. Ganz im Gegenteil: weil Veiel manches nur ahnen lässt, muss der Zuschauer die eigene Phantasie benützen, um sich die Bilder zu Ende zu denken. Viel Phantasie braucht es am Ende nicht, um zu begreifen, dass Schauspieler ein herrlicher Beruf sein kann, und zugleich ein schrecklicher. Denn das Bühnen-Fieber bringt tolle Trips in unbekannte Leben, aber das eigene Leben kommt dabei oft zu kurz. Reich und berühmt werden dabei nur ganz wenige.

Und: Kein Star fällt vom Himmel. Es braucht extremes Durchhaltevermögen, Neugier und auch einen Schuss Besessenheit, damit aus einem Talent ein Könner werden kann. So wie bei den vier "Spielwütigen" im Film von Andres Veiel. Und ausgerechnet die, die am Anfang eher naiv und untalentiert wirkt, hat am Ende die besten Chancen, ein echter Star zu werden.