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Besonderer Schutz für Ex-RAF-Terroristin Becker?

28. August 2009

Im Zusammenhang mit dem 1977 verübten Mord an Generalbundesanwalt Buback ist die frühere RAF-Terroristin Verena Becker in Untersuchungshaft genommen worden. Aufgrund neuer Indizien bestehe "dringender Tatverdacht".

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Fahndungsfoto Verena Becker (Foto: dpa)
Verena Becker auf einem Fahndungsfoto aus den 70er JahrenBild: picture alliance / dpa

Der Haftbefehl gegen die heute 57-jährige Verena Becker ist am Freitag (28.08.2009) in Vollzug gesetzt worden. Damit sind die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wieder in Gang gesetzt.

Generalbundesanwalt Siegfried Buback (Foto: AP)
Siegfried Buback (1920 - 1977)Bild: AP

Becker soll vor 32 Jahren "wesentliche Beiträge zur Vorbereitung und Durchführung" des Anschlags auf den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback geleistet haben. Sie wird laut Bundesanwaltschaft als Mittäterin, aber nicht als Todesschützin verdächtigt. Bei dem Attentat waren auch Bubacks Fahrer Wolfgang Göbel und Justizwachtmeister Georg Wurster getötet worden.

Spuckereste unter Briefmarken

Die Karlsruher Behörde begründet den Tatverdacht mit DNA-Spuren Beckers, die an Bekennerschreiben der RAF sichergestellt wurden. So sei Beckers DNA in Spuckeresten unter damals verwendeten Briefmarken gefunden worden. Wie es heißt, wurden bei der Durchsuchung ihrer Wohnung vergangene Woche zudem Unterlagen sichergestellt, die Becker zusätzlich belasten.

Den Angaben zufolge wurde Becker bereits am Donnerstag in Berlin festgenommen. Am selben Tag hatte sie noch gegenüber der "Bild"-Zeitung bestritten, etwas mit dem Mord an Buback zu tun zu haben. Am Freitag wurde die Ex-Terroristin dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt.

Todesschütze bis heute unbekannt

Tatort-Foto nach dem Anschlag auf Buback mit zugedeckten Leichen der Opfer (Foto: dpa)
Der Tatort in der Karlsruher InnenstadtBild: picture-alliance / dpa

Das RAF-"Kommando Ulrike Meinhof" hatte den Anschlag am 7. April 1977 mitten in der Karlsruher Innenstadt verübt. Die Terroristen feuerten von einem Motorrad aus auf Siegfried Bubacks Dienstwagen. Wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat, ist jedoch bis heute unklar. Drei RAF-Terroristen - Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt - waren wegen Beteiligung am Mordanschlag zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Alle drei wurden jedoch vorzeitig aus der Haft entlassen, zuletzt Christian Klar im Dezember 2008.

Auch gegen Verena Becker war im Dezember 1977 wegen einer Schießerei bei ihrer Festnahme eine lebenslange Haftstrafe ausgesprochen worden. Im November 1989 wurde sie aber vorzeitig begnadigt und auf freien Fuß gesetzt.

Michael Buback: Ein "guter Tag"

Siegfried Bubacks Sohn Michael sprach von einem "guten Tag für unseren Rechtsstaat". In einem Interview mit der Deutschen Welle sagte Buback, er hoffe, dass es nun zu einem neuen Prozess gegen Verena Becker komme, in dem die "volle Wahrheit" des Tathergangs bekannt werde.

Michael Buback könnte mit seinem Ansinnen, die Wahrheitssuche neu aufzurollen, prominente Unterstützung bekommen. Es mehren sich nämlich die Stimmen, die von einem "ganz bösen Verdacht" sprechen. Es sind Stasi-Unterlagen aufgetaucht, die offenbar eine direkte Verbindung Verena Beckers zum Verfassungschutz aufzeigen. Schon fünf Jahre vor dem Mord an Siegfried Buback soll dieser Kontakt bestanden haben. Verena Becker könnte also - wie es im Geheimdienst-Jargon heißt - "von westdeutschen Abwehrorganen unter Kontrolle gehalten worden sein." Sollte sich diese Behauptung bestätigen, wird das Verhalten des Bundesinnenministeriums in die Schußlinie der Kritik geraten. Denn das Ministerium verweigert die Herausgabe der Akten mit der Begründung, dass dadurch der Bundesrepublik "Nachteile drohen".

Portraitfoto Dieter Wiefelspürt, SPD-Bundestagsabgeordneter (Foto:AP)
Der SPD-Rechtsexperte und Bundestagabgeordneter Dieter WiefelspützBild: AP

Der Rechtsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, läuft Sturm gegen die Haltung von Innenminister Wolfgang Schäuble und fordert die sofortige Freigabe der Akten. Nur so könne der Verdacht ausgeräumt werden, mit Verena Becker sei ein Deal ausgehandelt worden und man habe es in Wahrheit mit einer Kronzeugin zu tun, die sich des besonderen Schutzes des Staates erfreut.

Wiefelspütz hält diesen Verdacht zwar für abwegig und eines Rechtsstaates für nicht würdig. Aber:"Für mich ist das undenkbar in Deutschland. Aber auch das Undenkbare kommt vor." Unterstützung erhält der SPD-Politiker vom Generalsekretär der FDP, Gerd Niebel und durch den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union im Bundestag, Wolfgang Bosbach.(wa/gri/hel/as/n-tv.de/dpa/ap/afp/rtr)