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Bessere Zukunft für San in Südafrika

13. Dezember 2010

In Südafrika lebten Tausende San über zehn Jahre im Zeltlager Schmidsdrift, fernab der Zivilisation. Jetzt haben die Buschmänner mit staatlicher Hilfe die Siedlung Platfontein gegründet, mit einer eigenen Klinik.

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San-Kinder in Südafrika (Foto:DW)
Für die Kinder der San gibt es in Platfontein endlich richtige UnterrichtsräumeBild: Dagmar Wittek

Die zwei in freundlichem hellblau gestrichenen Warteräume der Klinik in Platfontein sind immer voll. Seit einem Jahr ist die Klinik des kleinen Dorfes, rund 500 Kilometer südlich von Johannesburg, geöffnet. An drei Tagen sind Ärzte da, ansonsten kümmern sich drei Krankenschwestern und vier Aidsberaterinnen um die Kranken. Etwa 120 Patienten am Tag würden sie behandeln, berichtet Schwester Sharon Olifant. "Unsere größten Probleme sind HIV, Tuberkulose und Mangelernährung." Aber auch um traumatisierte Vergewaltigungsopfer kümmere sie sich häufig. Da unter den San noch wenig über die Ansteckungswege und Behandlungschancen vieler Krankheiten bekannt ist, leisten Ärzte und Schwestern regelmäßig Aufklärungsarbeit. Täglich gibt es in der Klinik einen Vortrag über ein Gesundheitsthema. Doch auch von anderen Stellen gibt es Unterstützung. So gehen Mitarbeiter des roten Kreuzes von Tür zu Tür und klären über Aids, Tuberkulose (TB) und mangelnde Hygiene auf und auch das lokale Radio beteilige sich an der Aufklärungskampagne. "Wir merken, dass sich die Gesundheit der Menschen verbessert", freut sich Schwester Olifant.

San Siedlung Südafrika (Foto:DW)
Eine Klinik und mehrere Läden, in denen die San einkaufen könnenBild: Dagmar Wittek

Im Zeltlager von Schmidsdrift, in dem die San bisher leben mussten, gab es keinen Arzt. Nur eine Schwester, die jedoch nicht über die notwendige Ausrüstung und Medikamente verfügte, kümmerte sich um die Kranken. Sophia Makina, eine 17-jährige Mutter, die ein wimmerndes Bündel auf dem Arm hält, erzählt, sie hätte früher im Notfall erst ein Auto organisieren müssen, um zur nächsten 23 Kilometer entfernt gelegenen Klinik zu gelangen. "Hier ist es viel besser als in Schmidsdrift", sagt Makina. Sie könne einfach zu Fuß zur Klinik laufen und es sei immer Hilfe da, wenn sie sie brauche. So wie jetzt, da ihr einjähriger Sohn krank ist. Er habe Bauchweh, Krämpfe und der ganze Körper tue ihm weh, deswegen sei sie zur Klinik gekommen, sagt die junge Mutter.

Bessere Chancen auf Arbeit?

San Südafrika (Foto:DW)
Die Menschen im Dorf glauben fest an eine Verbesserung ihrer LebensumständeBild: Dagmar Wittek

Doch nicht nur die Klinik habe das Leben der San wesentlich vereinfacht, sagt Makina. In Platfontein gebe es auch mehrere Läden, in denen die San einkaufen könnten. Außerdem sei die Stadt nur sieben Kilometer entfernt, was auch die Suche nach einem Job erheblich erleichtere.

Obwohl die Arbeitslosigkeit der zwei San-Gruppen, den Kung und Kwe, in Südafrika bei über 80 Prozent liegt, haben viele San, genau wie Makina, das Gefühl, dass sich ihre Lebensqualität in Platfontein verbessert hat. Vor allem die Jüngeren empfinden das so. "In Platfontein ist wenigstens was los, es ist entwickelt", sagt der 21-jährige Markus. "In Schmidsdrift war das kein Leben, wir haben da nur rumgehangen. Es gab nichts für uns zu tun. Wir haben in Zelten gehaust." Die Steinhäuser, das elektrische Licht, die neue große Schule, das sei schon eine erhebliche Verbesserung, sagt Markus, der nach seinem Schulabschluss eine Ausbildung zum Auto-Mechaniker machen will.

Gute Aussichten

Dass die jungen San, die Südafrikas Regierung über zehn Jahre in der Steppe in einem Zeltlager hausen ließ, das Gefühl haben, etwas erreichen zu können und zur Gesellschaft dazuzugehören, sei sehr wichtig, sagt Grundschullehrerin Frieda Fick. Sie hat jahrelang auch im Zeltlager unterrichtet. Durch die neuen Räumlichkeiten und mit den neuen Materialien, die den Lehrern jetzt zur Verfügung stehen, sei es viel einfacher geworden zu unterrichten. Zur Platfontein Schule gehen mehr als 1000 Schüler, 700 davon allein in der Grundschule. Rundum habe Platfontein das Leben der San verbessert, sagt Fick. So könne sie zum Beispiel sehen, dass die Kinder viel besser ernährt seien. "Das soziale Gefüge bricht auseinander und Alkoholmissbrauch und die Vergewaltigungsrate sind enorm", gibt sie dennoch zu bedenken. "Je mehr Kontakt sie mit anderen haben, desto mehr gehen Moral und Sozialgefüge den Bach runter", sagt Fick.

Erhalt der Kultur

San-Kinder Südafrika (Foto: DW)
Die San hoffen, dass ihre Kinder einmal ein besseres Leben habenBild: Dagmar Wittek

Sie und ihre Kolleginnen machen sich große Sorgen über den Zerfall der San-Kultur. Zum Beispiel hätten in Schmidsdrift alle Kinder noch Spurenlesen und mit Pfeil und Bogen umgehen können - hier nicht mehr. Entwurzelung und der Verlust von Kultur machen auch Kwe-Chef Nikolas Tenda Sorge: "Ich selber kann natürlich noch da draußen überleben, ich kann Spuren lesen, jagen und sammeln. Aber die Jungen, die in Schmidsdrift und Platfontein geboren wurden, die haben keine Ahnung mehr davon. Wir müssen es ihnen aber unbedingt beibringen, es ist ein Teil von uns."

Spezielle Fernsehprogramme könnten dabei helfen, so der Kwe-Chef. Die Art und Weise wie sie künftig ihre Kultur vermitteln, könne angepasst werden, so Tenda. "Es ist möglich, dass wir Teil der modernen Welt sind und doch unsere eigene Herkunft wertschätzen und pflegen."

In der Schule gilt das staatliche Curriculum, San-Kultur wird da nicht berücksichtigt. Doch zumindest im Kindergarten gibt es eine extra Gruppe, in der noch die alten, traditionellen Gebräuche der San an die Kinder weitergegeben werden. Einmal die Woche trifft sich eine von Kuyanda Sikamo angeleitete Tanzgruppe, in der Lieder, Tänze und Kultur am Leben gehalten werden. "Tanzen und singen ist ein wichtiger Teil unserer Kultur",sagt Sikamo. "Dadurch, dass wir unsere Traditionen ausüben, geben wir sie an die Jüngeren in der Gemeinschaft weiter und dadurch kann unsere Kultur weiterleben."

Autorin: Dagmar Wittek
Redaktion: Michaela Paul