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Beste Schule im Land

Heiner Kiesel3. Juni 2013

Eine norddeutsche Gesamtschule hat den Deutschen Schulpreis gewonnen. Lernbehinderte werden genauso wie Hochbegabte mitgenommen, lobte die Jury.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Schulleiterin Angelika Knies und Schülerinnen der Anne-Frank-Schule Bargteheide (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Anne-Frank-Schule in Bargteheide erhält den Deutschen Schulpreis 2013 von Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa

"So ganz überrascht bin ich nicht, eigentlich hätten wir schon längst einen Preis verdient", sagt Pia Shaleen Poehls und blickt selbstbewusst auf das Podium in der Berliner Parochialkirche. Dort hat gerade Bundeskanzlerin Angela Merkel den Deutschen Schulpreis für das Jahr 2013 überreicht - an die Anne-Frank-Schule Bargteheide, in der Poehls die 9. Klasse besucht.

Pia Shaleen Poehls, Schülerin der Anne-Frank-Schule Bargteheide (Foto: DW/Heiner Kiesel)
Stolz auf ihre Schule: Pia Shaleen PoehlsBild: DW/H. Kiesel

Die Juroren attestieren der Gesamtschule ein überdurchschnittliches Leistungsniveau, eine hohe Leistungsbereitschaft der Schüler und eine sehr hohe Sozialkompetenz. "Wir sind in der Schule eine Gemeinschaft, die Lehrer und die Schüler, darauf bin ich ganz stolz", freut sich die Schülerin und drückt die Trophäe an ihre Backe.

Keiner bleibt ohne Abschluss

"Wir haben Heterogenität als Chance begriffen", sagt Schulleiterin Angelika Knies dazu. Sie hat die Schule vor 23 Jahren mitgegründet. 862 Schüler und 67 Lehrer sind inzwischen Teil eines integrativen Konzepts, bei dem lernbehinderte Förderkinder und Hochbegabte bedarfsgerecht unterrichtet werden. "Wir sorgen dafür, dass keiner durch das Raster fällt und alles, was nach oben geht, muss möglich sein", sagt Knies.

Die schleswig-holsteinische Einrichtung hat seit neun Jahren keiner ohne Abschluss verlassen. Dafür erhält die Anne-Frank-Schule nun 100.000 Euro Preisgeld. Neben dem Hauptpreis wurden fünf weiteren Schulen Preise von je 25.000 Euro für ihre herausragend umgesetzten Konzepte überreicht.

Vor allem Grundschulen bewerben sich

Der Deutsche Schulpreis wird von der Robert-Bosch-Stiftung und der Heidehof-Stiftung vergeben und ist deren Angaben zufolge mit 243.000 Euro die am höchsten dotierte Auszeichnung dieser Art in Deutschland. Über 1000 Schulen haben sich seit 2006 an den Auswahlverfahren beteiligt. Im letztjährigen Wettbewerb wurde mit der Evangelischen Schule Neuruppin erstmals ein Gymnasium ausgezeichnet. Zuvor war der Preis vor allem Grund- und Gesamtschulen zuerkannt worden. Auch dieses Jahr sind drei Grundschulen unter den Preisträgern.

Insgesamt hatten sich diesmal 120 Schulen aus allen Bundesländern beworben - vor allem aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Der Auswahlprozess beginnt relativ unkompliziert mit einem Webformular. Doch es ist kein Wettbewerb, an dem man mal eben mal teilnehmen kann. "In der Regel haben die Schulen, die mitmachen, schon zehn Jahre lang ganz konsequent an ihren Zielen gearbeitet und versucht, die Unterrichtsqualität zu verbessern", betont Roman Rösch, stellvertretender Leiter des Bereichs Bildung, Gesellschaft und Kultur bei der Robert-Bosch-Stiftung. 20 Schulen sind in die engere Auswahl gekommen und Anfang dieses Jahres genauer unter die Lupe genommen worden. 15 wurden schließlich nominiert und einer Jury aus Erziehungswissenschaftlern und Schulleitern zur Bewertung vorgelegt.

Angelika Knies, Schulleiterin der Anne-Frank-Schule Bargteheide (Foto: DW/Heiner Kiesel
Angelika Knies ist Schulleiterin der ausgezeichneten GesamtschuleBild: DW/H. Kiesel

Hohe Anforderungen beim Schulpreis

Gemessen wird die Preiswürdigkeit in sechs Kategorien. Dazu gehören klassische Kriterien wie Schülerleistungen, Unterrichtsqualität und Schulklima. Daneben fließt ein, wie die Schule mit der Vielfalt der Schüler umgeht, wie die Fortbildungskultur aussieht und ob sich die Einrichtung selbst als lernende Institution aufgestellt hat. Die Messlatte hängt hoch: Schulen, die sich um den Deutschen Schulpreis bewerben, müssten in allen Bereichen gute Leistungen erzielen und in mindestens einem Bereich überdurchschnittliche, beispielgebende Initiativen vorweisen, heißt es in den Regularien. Bei der Robert-Bosch-Stiftung hofft man, dass sich die Kriterien des Preises allmählich zu einem allgemeinen Standard für Beurteilung von Schulen in Deutschland entwickeln.

Es fällt auf, dass die besonders guten Schulen in Deutschland nicht unbedingt die sind, die ohnehin besser ausgestattet sind - also beispielsweise Privatschulen und Gymnasien. "Wir kämpfen ein bisschen dagegen an, als 'Sozialer- Brennpunkt-Preis' abgetan zu werden", meint Rösch. Unter schweren Rahmenbedingungen entwickele sich oft eine Art Ehrgeiz, zu zeigen, dass innovativer und erfolgreicher Unterricht trotz schwerer Rahmenbedingungen möglich sei. "Das sind Schulen, an denen das Personal ein hohes Berufsethos besitzt und nicht immer anderen die Schuld für die misslichen Zustände gegeben wird."

Anne-Frank-Schule Bargteheide (Foto: picture alliance/dpa)
Hohe Leistung trotz schwierigen Umfelds: die Anne-Frank-Schule in BargteheideBild: picture-alliance/dpa

Die Anne-Frank-Schule liegt an einem sozialen Brennpunkt. Einer der Preisträgerschulen 2013, der Grundschule Commeniusstraße in Braunschweig, die in einem maroden Schulgebäude residiert, sagte die Jury "liebevolle Provisorien" nach. Eine weitere Voraussetzung für eine gute Schulentwicklung sieht der Robert-Bosch-Bildungsexperte Rösch in einem partizipativen Führungsstil der Schulleitung. "Bei allen unseren Preisträgern ist das in der Regel eine starke Schulleitung, die es schafft, das ganze Kollegium mitzunehmen."

Problem Föderalismus

Die diesjährigen Preisträger sind jetzt für fünf Jahre Teil der Akademie des deutschen Schulpreises. Diese Institution soll ermöglichen, dass möglichst viele Schulen von den praktischen Erfahrungen der Preisträger profitieren und an deren Entwicklungsprozesse anknüpfen können. "Am Ende muss aber jede Schule ihren eigenen Weg finden", sagt Roman Rösch.

Ein Problem beim Wissenstransfer sei allerdings das föderale Bildungssystem Deutschlands: Jedes Land hat eigene Regeln und Rahmenbedingungen für seine Schulen. Das behindere den Aufbau von bundesweiten Netzwerken, klagt Rösch. Bundeskanzlerin Merkel rettete sich mit einem Verweis auf den Föderalismus, als sie bei der Preisverleihung auf die häufig bedenkliche Finanzausstattung von Bildungseinrichtungen angesprochen wurde: "Da bin ich nicht die allerbeste Ansprechpartnerin."