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Beten für die Gemeinsamkeit

Peter Philipp / Jutta Wasserrab10. September 2003

In Aachen trafen sich Priester, Rabbiner, Imame und Patriarchen zum Weltfriedensgebet. 500 Repräsentanten der Religionen beteten und diskutierten – auch über das Thema Nahost.

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Gemeinsam für den FriedenBild: AP


Nicht nur hochrangige Kirchenoberhäupter, auch mehrere tausend einfache Gläubige sind der Einladung der Laien-Gemeinde Sant Egidio gefolgt. Unter dem Motto: "Zwischen Krieg und Frieden: Religionen und Kulturen begegnen sich" trafen sich in Aachen die verschiedenen Religionen. Aus der ganzen Welt waren Vertreter und Gläubige der großen Weltreligionen gekommen, um am 17. Weltfriedensgebet teilzunehmen, das erstmals in Deutschland stattfand.

Eingeladen hatte die spirituelle Gemeinschaft Sant Egidio aus Rom - eine fromme katholische Laienvereinigung mit weltweit 40.000 Mitgliedern, die sich der Solidarität mit den Armen verpflichtet fühlt, über gute Kontakte in den Vatikan verfügt und immerhin aufgrund ihres weltweiten sozialen Engagements und ihrer Erfolge als Vermittler in internationalen Friedensverhandlungen mehrfach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden ist. Wer solidarisch mit den Armen ist, muss gegen jeden Krieg sein, so die Erkenntnis der Laienorganisation.

„Möglicherweise unlösbare Situation“

Der israelisch-palästinensische Konflikt durfte in Aachen natürlich nicht fehlen. Ambitionierte Pläne der Veranstalter, Vertreter der israelischen Regierung, der palästinensischen Autonomieverwaltung und der PLO zusammenzubringen, scheiterten jedoch an den jüngsten politischen Entwicklungen in der Region. Und so beherrschte die Frage der Religion die Diskussion - so wie der Konflikt selbst oft von religiösen Themen geprägt ist.

Was die Dinge nicht gerade leichter macht, wie Rabbiner David Rosen vom American Jewish Committee meint: "So lange der Konflikt als territorialer Konflikt gesehen wird - was er eigentlich ja auch ist - dann ist er durch einen relativ einfachen territorialen Kompromiss relativ leicht zu lösen", meinte der Rabbi. "Sobald er aber als Konflikt zwischen den Religionen, in dem jede Religion Position beziehen muss, dann stehen wir vor einer möglicherweise unlösbaren Situation".

Taisir Al Tamimi, der Präsidenten des Sharia-Gerichts der Palästinensischen Autonomiebehörde, hatte wegen der Ereignisse in Palästina nicht bleiben können. Sein Bruder Hamed verlas aber eine vorbereitete Rede. Tamimi verwahrte sich darin dagegen, dass der Islam von anderen Religionen in Folge der Ereignisse in Nahost immer wieder als gewalttätig betrachtet wird. Aber er machte auch mehr als deutlich, dass die Religion selbst in nicht religiösen Kreisen für politische Zwecke benützt wird.

Die Suche nach der Hebamme

Ben-Hur, Israels Botschafter im Vatikan, zitierte den israelischen Schriftsteller Amos Oz: Israelis und Palästinenser seien wie ein Ehepaar, das um eine perfekte Scheidung ringe. Nur mit dem Unterschied, dass bei einer Scheidung ein Partner ausziehe und den anderen verlasse. Hier müssten beide zusammen bleiben. Pater Elias Chacour, Christ, Palästinenser und israelischer Staatsbürger, widersprach dem Botschafter aber entschieden.

Man wolle keine Scheidung, sondern man müsse das Beste aus einer Situation machen, in der man zusammenleben müsse. Beide Völker hätten genug gelitten und dieses Zusammenleben sei eine Verpflichtung für beide und die Welt. Chacour griff auch das Zitat von Amos Oz auf und meinte düster, in dem von Oz beschriebenen Paar sei Israel die Frau und sie sei schwanger: "Was wir jetzt brauchen, ist eine ausgezeichnete und kluge Hebamme."

Bis diese Hebamme gefunden ist, bleibt die Hoffnung – und das gemeinsame Beten. Buddhisten, Christen, Juden, Muslime, Hinduisten und Shintoisten, jeder in seiner Tradition: kniend oder stehend, in einer hölzernen Bank oder auf einem Teppich, nach Osten gewandt oder nach Süden. Sie seien in Aachen gewesen, um sich kennen und verstehen zu lernen, versichern sie alle. Mit dem Weltfriedensgebet will man sich ein Stück näher gekommen sein - über alle religiösen Grenzen hinweg.