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Touristenmagnet

Linda Vierecke30. November 2007

800 Tage des Krieges hat Hitler im Führerhauptquartier Wolfsschanze verbracht. Und damit so viel wie nirgendwo sonst. Die dicken Betonbunker sind heute eine Touristenattraktion.

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Ein Touristenführer zeigt auf den Eingang eines mit Moos überwachsenen Bunkers. (Foto: DW/L.Vierecke)
Eingang in die Vergangenheit: Die Bunker auf dem Gelände der WolfsschanzeBild: DW

Die acht Meter dicken Wände der Bunker konnten die Nazis bei ihrer Flucht aus dem ehemaligen Ostpreußen nicht vernichten. Und so stehen die dicken Betonbrocken noch heute mitten im masurischen Wald bei Kętrzyn (Rastenburg).

Ein Bunker im Wald. Foto: (DW/L.Vierecke)
Mitten im Wald stehen die gewaltigen BetonbunkerBild: DW

Den Ort hatte Hitler mit Bedacht gewählt. Als strategische Stellung war er nah an der Ostfront. Umgeben von Wald, zahlreichen Sümpfen und Mooren, konnte der Feind das Gelände nur schwer orten. Im Sommer 1940 begann der Bau der Wolfsschanze und er endete 1944 mit der Flucht der Nazis aus Ostpreußen. Bis dahin waren über 100 Gebäude errichtet. Hier verübte General Stauffenberg am 20. Juli 1944 das Attentat gegen Hitler.

Erst Großhandel, dann Führerhauptquartier

Mann mit kurzem grauen Haar vor zwei gelben Warntafeln auf Deutsch und Polnisch. (Foto: DW/ L.Vierecke)
Deutsche Geschichte als Geschäft: Der Betreiber der Wolfsschanze Jan ZaluszkaBild: DW

Der Betreiber der Wolfsschanze heißt Jan Zaluszka. Anfang der 90er gewann seine GmbH eine Ausschreibung für die Betreibung der Wolfsschanze. Zuvor hatte Zaluszka einen Großhandel für Lebensmittel geführt. Die Wolfsschanze ist sein Hobby, wie er sagt, aber auch ein Geschäft. "Eins, das sich selbst trägt, aber ohne groß Gewinn abzuwerfen", sagt Zaluszka. Die GmbH erhält die Wege, betreibt das Restaurant und das Hotel, nur knapp 100 Meter weg von der Stelle, wo Stauffenberg den Koffer mit der Bombe abstellte.

Eine Snackbar umgeben von Wald. (Foto: DW/L.Vierecke)
Snackbar neben FührerbunkerBild: DW

Acht Złoty, also umgerechnet etwas über zwei Euro, kostet der Eintritt in die Wolfsschanze. 200.000 Besucher kommen jedes Jahr her - fast alle in den Sommermonaten. Dann öffnen auf dem Gelände auch die Snackbar, der Souvenirshop und der Fotoexpress Alex. All das kommt einem Deutschen an diesem geschichtsträchtigen Ort ein wenig merkwürdig vor. Und man hält Ausschau nach einem Museum und mehr als die zwei Tafeln, die die geschichtlichen Umstände erklären. Ausschilderung an den Bunkern fehlen komplett. Die Wolfsschanze ist privatisiert. Zaluszka bekommt nicht einen Zloty vom Staat, hat dafür aber auch keine Auflagen: "Als wir die Wolfsschanze übernommen haben, war Bedingung, dass wir alles so lassen, wie es ist."

Schwieriges Erinnern

Erinnern an die NS-Zeit ist in Polen nicht so einfach. "Würde ich zu viel machen, würden mich einige gleich als Hitler-Verehrer sehen", so Zaluszka. Und so bleiben die Bunker wie sie sind - Betonbrocken aus Hitlers Reich, die nach und nach im Dickicht der Pflanzen verschwinden.

Stein mit Erinnerungsplakette: "In Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus" auf Deutsch und Polnisch. (Foto: DW/L.Vierecke)
Vier Jahre dauerte der Streit um diese PlaketteBild: DW

Lange Zeit wollte man in Polen auch den Mantel des Schweigens über die gesamte Geschichte der Wolfsschanze hüllen. Das Attentat Stauffenbergs vom 20. Juli 1944 existierte in der Geschichtsschreibung des kommunistischen Polens nicht. Widerstand gegen den Nationalsozialismus, das passte nicht in das Bild des revisionistischen Westdeutschlands. Doch auch nach 1989 blieb das ein schwieriges Thema. Vier Jahre stritt man um die Inschrift auf der Plakette. "In Gedanken an den Widerstand" steht heute darauf - lange hatte es Widerspruch der Polen dagegen gegeben. Dass es Stauffenberg als einen Einzelnen gegeben hat, das konnte man akzeptieren, aber einen generellen Widerstand zu ehren, das ging vielen zu weit.

Diskussionen über Tom Cruise

Inzwischen haben sich die Gemüter beruhigt. Jedes Jahr gibt es nun am 20. Juli ein Gedenken an den Widerstand gegen Hitler. Und in diesem Jahr wurde auch der 100. Geburtstag Graf Stauffenbergs gefeiert. Dazu reiste auch die Familie Stauffenbergs an. Diskutiert wurde bei dieser Gelegenheit nicht über den Gedenkstein, sondern über die Besetzung des Graf Stauffenbergs im neuen Film Valkyre. Zaluszka schüttelt den Kopf: "Mit Tom Cruise in der Rolle sind hier die wenigsten einverstanden."