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Bewährungsprobe für US-Sicherheitsarchitektur

Gero Schließ, Washington D.C.16. April 2013

Die Bilder rufen schlimmste Erinnerungen an 9/11 wach: Die Anschläge beim Boston Marathon hatten zwar ein anderes Ausmaß, lösten jedoch sehr schnell eine offensichtlich gut funktionierende Sicherheitskette aus.

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Absperrung des Tatorts in Boston (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Gegen 14:50 Uhr Ortszeit am Montag (15.04.2013) erschüttern zwei Explosionen die Bostoner Innenstadt. Wenige Minuten später sind die amerikanischen TV-Sender live dabei. Von CNN bis Fox News sieht man zunächst immer die gleichen Bilder von sich ängstlich duckenden Marathonläufern in ihrer bunten Sportkleidung. Flüchtende Menschen, am Boden liegende Verletzte. Die Kameras zeigen Blut auf dem Asphalt, Rettungsteams bahnen sich eilig ihren Weg, Rauchschwaden ziehen durch die Straßen.

Wenige Minuten später erfährt man durch aufgeregt sprechende Moderatoren, dass Präsident Barack Obama erstmals unterrichtet wurde. Später wird man auch ein Bild von der Beratung mit FBI-Direktor Robert Mueller und Heimatschutzministerin Janet Napolitano sehen - drei ernst blickende Menschen um den Schreibtisch des Präsidenten herum gruppiert. Gleichzeitig sperrt die Polizei das Weiße Haus großräumig ab und bringt Polizeiautos in Stellung. In New York und anderen Städten Amerikas wie Chicago erhöhen die Sicherheitskräfte ihre Wachsamkeit. Und auch in London, wo am Wochenende ein Marathon geplant ist, kündigen die Sicherheitskräfte verschärfte Maßnahmen zum Schutz von Teilnehmern und Zuschauern an.

Bombenexplosionen erschüttern Boston

Angsterfüllt

Doch alle Aufmerksamkeit der Medien gilt den Geschehnissen in Boston. Wieder dieser endlos scheinende Zug von schreienden, angsterfüllten Menschen. Die Bilder werden jetzt immer drastischer, rücken näher an die Menschen heran; denn inzwischen sind auch Videos von Amateuren zu sehen. Man hört Schreie, sieht, wie sich die Läufer an den Kopf greifen, die Ohren zuhalten und - vom Druck der Explosion gebeugt - davonstürzen. Als in der Nähe des DW-Studios in Washington Polizeisirenen aufheulen, bringt man das unwillkürlich mit der Gefahrenlage in Verbindung.

Infografik zum Anschlag beim Boston-Marathon DW-Grafik Olof Pock 16.04.2013
Stunden nach dem Zieleinlauf der Sieger sind noch viele der insgesamt 27.000 Läufer auf der Strecke, als zwei Bomben explodieren

Zu den Bildern verbreitet sich eine scheinbar endlose Reihe von rasch aufgegriffenen Interviewpartnern, die zunächst die immer gleiche Fragen beantworten müssen: Was haben sie gesehen, was haben sie gehört, wie viel sind verletzt, gibt es Tote? Der TV-Sender Fox News meldet nach gut 45 Minuten als erster, dass es Tote gegeben habe, während CNN noch von mehr als 20 Verwundeten spricht.

Später dann verändert sich die Wortwahl. Sprachen die Medien anfangs von Explosionen, ist jetzt von einem Anschlag die Rede. Offen bleibt nur, ob es ein Terroranschlag von Al Kaida oder anderen internationalen Terroristen war - oder ob es sich um einen kriminellen Akt von Amerikanern handelt.

Tatort in Boston aus der Vogelperspektive (Foto: Reuters)
Der Tatort aus der VogelperspektiveBild: Reuters

Breiter Informationsfluss

Was angesichts emotionaler Extremzustände und medialer Großinszenierung fast untergeht: Das heimische Sicherheitssystem scheint zu funktionieren. Seit 9/11 wurde die amerikanische Sicherheitsarchitektur drastisch verändert. Und so wie es derzeit aussieht, hat sich das im Falle des Anschlags in Boston bewährt.

Was ist anders? Es gibt nun einen breiten Informationsfluss zwischen den Sicherheitsbehörden der einzelnen Staaten. Entscheidend ist auch, dass jetzt auch zwischen Bundes- und Landesbehörden vernetzt gearbeitet wird. Wie Sicherheitsexperten sagen, hat sich die Zusammenarbeit seit dem 11. September 2001 drastisch verbessert. Die örtlichen Kräfte führen zwar die Ermittlungen, das Heimatschutzministerium, das FBI, das Justizministerium und andere Behörden schalten sich aber sofort ein und leisten wertvolle Unterstützung. 

Es ist eine andere Philosophie, die die Sicherheitsbehörden jetzt zusammenarbeiten lässt. In der neu geschaffenen Position des Director of National Intelligence findet sie ihren Ausdruck. Sie wurde aufgrund der Empfehlungen einer Regierungskommission im Jahre 2004 gegründet - nach den verheerenden Erfahrungen von 9/11. Auf der Homepage ist ihre Mission gut zu lesen. Ganz oben steht: "Lead intelligence Integration" - die Integration aller Aufklärungs- und Sicherheitsdienste. So wie die Medien immer schneller und immer vernetzter agieren, so scheinen auch die Amtsstuben in bisher unbekanntem Tempo miteinander zu kommunizieren.

Anschläge vom 11. September 2001 (Foto: AP)
Seit 9/11 hat sich in den USA viel verändertBild: AP

Und so kann Präsident Obama in seiner Ansprache, gut drei Stunden nach dem Anschlag, schon von der vollen Unterstützung aller Sicherheitsbehörden für die örtlichen Ermittler berichten.