1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bewegung in der Finanzbranche

11. März 2010

Die Finanzbranche hat die Wirtschaftskrise ausgelöst und damit ihr Image ruiniert. Von außen hagelt es Kritik am Finanzsystem und jetzt werden auch wieder hohe Boni gezahlt. Hat die Branche nichts aus der Krise gelernt?

https://p.dw.com/p/MO1A
Ein Demonstrant hält ein Plakat gegen Bonuszahlungen des Finanzriesen AIG im Chicago Finanzdistrikt hoch (Foto: AP)
Auf der Straße formierte sich viel Protest gegen hohe BonuszahlungenBild: AP

Vor knapp zwei Jahren begann die größte Finanzkrise seit dem Wirtschaftszusammenbruch in den 30er Jahren. Weltweit haben Regierungen Milliarden in das Finanzsystem gepumpt, um Schlimmeres zu verhindern. Als Schuldige wurden schnell die gierigen Banker ausgemacht und deren Image ist entsprechend. „Wir Banker stehen laut einer Umfrage im Ansehen weit unten. Nach uns kommen nur noch Prostituierte und Drogendealer,“ sagte kürzlich ein Banker bei einer Podiumsdiskussion in Frankfurt. Im Tal der Krise hilft manch einem aus der Bankenbranche offenbar nur noch eine gesunde Portion Ironie.

Das Vertrauen gegenüber Banken hat in den letzten zwei Jahren deutlich gelitten. Nicht zu Unrecht, sagt der Banken- und Finanzwissenschaftler Reinhard Schmidt von der Universität Frankfurt. Zwar hätten sich einige Finanzinstitute ganz ordentlich geschlagen, aber viele „haben mit dem Risiko übertrieben und jedenfalls einige Banken haben Sachen gemacht, die einfach völlig unvertretbar waren."

Selbstherrliche und kritische Stimmen

Lloyd Blankfein, CEO von Goldman Sachs (Foto: dpa)
Banken verrichten "Gottes Werk auf Erden", meint Lloyd Blankfein von Goldman SachsBild: picture-alliance/ dpa

Aus der Branche kommen zum Teil sehr selbstbewusste und wenig kritische Stimmen wie die des Bankenchefs Lloyd Blankfein von Goldman Sachs. Seiner Ansicht nach verrichten die Banken "Gottes Werk auf Erden". Aber es gibt aus der Finanzbranche auch andere, um einiges demütigere und selbstkritischere Stimmen. So sagte Manfred Genz, der Aufsichtsratschef der Deutschen Börse: "Eine Konsequenz ist die dienende Funktion des Finanzsystems für die Volkswirtschaft zu erkennen, und anzuerkennen und nicht zu glauben, das Finanzsystem dürfe sich selbst genügen und als Mittelpunkt oder gar als Beherrscher der Welt auftreten.“

Obwohl Bevölkerung und Politik kritisch die Finanzbranche beäugen, kommen aus der Branche keine großen Kampagnen, um das Image aufzubessern. Und auf Worte von außen würden zudem keine Taten folgen, beklagen Aktionärsschützer wie Klaus Nieding. „Wenn man ansieht, welche Geschäfte plötzlich wieder Thema sind, welche Diskussionen um Gehälter geführt werden, welche Diskussionen über Regulierung geführt werden - da wird die Regulierung ja doch wieder verteufelt und gemieden." Es wäre aber ein deutliches Umdenken nötig gewesen.

Alltag wie eh und je?

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, lehnt an einem Logo der Deutschen Bank (Foto: AP)
Die Deutsche Bank ist gut durch die Krise gekommenBild: AP

In der Tat stehen bei vielen an der Börse notierten Banken wieder Milliardengewinne in den Büchern. Die Deutsche Bank, BNP Paribas in Frankreich oder etwa Barclays in England – sie scheinen aus der Krise heraus zu sein und verdienen wieder kräftig Geld im umstrittenen Investment-Banking – insofern sind sie zum Alltagsgeschäft zurückgekehrt. Aber sie hätten auch aus der Krise gelernt, sagt Reinhard Schmidt, Banken- und Finanzwissenschaftler an der Universität Frankfurt. „Sie haben gewisse Risiken drastisch reduziert und sie haben eine wesentliche Veränderung beim internen Risiko-Kontrollsystem vorgenommen." Das seien ja ganz wesentliche Punkte, die vorher bei vielen Banken sehr im Argen lagen, sagt Schmidt. "Und was sich da verändert hat bei einigen Banken, ist durchaus bemerkenswert.“

Diskussion um Regulierung

US-Präsident Barack Obama (Foto: AP)
Barack Obama will rigoros gegen Banken vorgehenBild: AP

Über mögliche nationale und internationale Regulierungen wird derzeit noch gestritten. Am weitesten vielleicht geht der Vorschlag des US-Präsidenten Barack Obama, der in seinem Land anstreben will, Großbanken zu zerschlagen und deren Eigenhandel und riskante Geschäftsmodelle ganz zu verbieten. Das hält Analyst Fidel Helmer vom Bankhaus Hauck und Aufhäuser für unrealistisch, denn „die Banken speziell in Amerika haben ja eine nicht unbedeutende Machtposition und werden bei der einen oder anderen Maßnahme, die Obama vorgeschlagen hat, noch ein Wörtchen mitzureden haben.“

Unterdessen wird für Europa im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht an „Basel III“ gearbeitet. Das ist ein Regelwerk, das Banken für künftige Krisen resistenter machen und deren Risikobereitschaft eindämmen soll. Öffentlich in der Diskussion stehen zudem schon länger eine mögliche Finanztransaktionssteuer, eine Abgabe von Banken in Sicherungsfonds, strengere Bankenaufsichten oder die Begrenzung von Manager-Boni. In Gesetze gegossen ist davon bisher aber wenig bis nichts, monieren die Kritiker.

Aber immerhin: Nach der Krise wird kräftig darüber diskutiert, wo die Reise in Zukunft hingehen kann oder soll. Reinhard Schmidt gibt zu bedenken: "Man muss sehr darauf achten, dass es eine Zuständigkeit der Politik ist, darauf zu schauen, dass sich die Banken nicht zu sehr verselbständigen, nicht zu sehr abheben von dem, was ihre traditionelle Aufgabe ist, nämlich die Kreditversorgung der Wirtschaft." Seiner Ansicht nach geschieht schon sehr viel und er hält es für wichtig zu unterscheiden, ob es sich um kontinentaleuropäische Banken oder angelsächsische handelt. "Bei letzteren kommt es mir so vor, als wäre wieder Business as Usual angesagt."

Autor: Mischa Erhardt

Redaktion: Insa Wrede