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Bezahlen wird digital - das Geld nicht

Michael Braun Frankfurt a. M.
13. Juni 2017

Mit Bargeld bezahlen wird vielerorts unbeliebter, aber das System dahinter bleibt stark, zeigt eine Studie. Digitale Währungen wie Bictoin & Co. bleiben eine Seltenheit - haben aber Chancen in Entwicklungsländern.

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DW Made in Germany - Bitcoin
Bild: DW

Zwar hat die Kunstwährung Bitcoin eine Mengengrenze einprogrammiert, soll also nicht beliebig vermehrt werden können. Aber digitale Währungen insgesamt sprießen wie Pilze aus modrigem Boden. Gab es Mitte April "nur" 782 solcher Währungen, waren es Ende Mai schon 830 und Anfang der Woche 871. Ihr addierter Marktwert stieg in derselben Zeit von 27 auf 112 Milliarden Dollar. Das lag vor allem an der größten Digitalwährung, dem Bitcoin, dessen Wert sich in den vergangenen zwölf Monaten auf mehr als 2.000 Dollar verdoppelt hat.

Dennoch werden Bitcoin zum Bezahlen kaum akzeptiert. In Frankfurt am Main gibt es derzeit vier, in Hamburg 13, in Berlin 44 und in Stuttgart und Düsseldorf jeweils zwei Akzeptanzstellen. In Hamburg sei es etwa ein Pizzabäcker, erzählte Jörn Quitzau, Volkswirt der Berenberg Bank: "Man kann sich also mit Bitcoin ernähren, aber nur mit Pizza", sagt er. Er und sein Kollege Henning Vöpel vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) haben in einer Studie "Die Zukunft des Geldes – das Geld der Zukunft" untersucht.

Wertzuwachs nicht gesichert

Bitcoin seien trotz des fulminanten Wertzuwachses auch nicht als Wertaufbewahrungsmittel geeignet, so Quitzau. Dazu schwanke der Kurs zu stark. Müsse man zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufen, könne man ein drastisches Kurstief erwischen. Außerdem sei auch der langfristige Wertzuwachs nicht gesichert, weil ständig vergleichbare Digitalwährungen erfunden werden könnten.

Das alles spricht aber nicht gegen digitales Bezahlen. In Deutschland werden zwar noch rund 80 Prozent aller Einkäufe bar bezahlt, vor allem kleinere Geschäfte. Dieser Anteil dürfte sich bis 2030 auf 50 Prozent reduzieren. Dies aus zwei Gründen: Jüngere Menschen nutzten jetzt schon in höherem Maße elektronische Zahlungsmittel, vor allem die Girocard ("ec-Karte"). Und bequeme neue Techniken breiteten sich aus, etwa das kontaktlose Bezahlen mit der Kreditkarte über die sogenannte Nahfeldkommunikation (NFC).

Den Kryptowährungen fehlt die letzte Zuflucht

In anderen Ländern, namentlich in Dänemark und Schweden, spielt Barzahlung kaum mehr eine Rolle. In Schweden verwenden mehr als 90 Prozent aller Einkäufer zum Bezahlen eine Bankkarte. Elf Prozent der Bevölkerung sagen, sie benötigten kein Bargeld. In Südeuropa sind Bargeschäfte nur bis zu einer gewissen Größenordnung erlaubt: Spanier dürfen Rechnungen von höchstens 2.500 Euro bar bezahlen. In Italien liegt die Höchstgrenze bei 3.000 Euro, in Griechenland gar nur bei 1.500 Euro. Autokäufe sind davon ausgenommen. Hintergrund der Obergrenzen ist die Absicht, Schwarzgeldgeschäften und Steuerhinterziehung den Boden zu entziehen.

Digitales Bezahlen hat aber nichts mit digitalen Kryptowährungen zu tun. Auch die größte unter ihnen, der Bitcoin mit einem Marktanteil von 80 Prozent, ist von einem Netzwerk geschaffen worden, nicht zentral von einer Zentralbank. Vor allem sind die digitalen Währungen nicht mit einer gesetzlichen Annahmepflicht versehen. Damit fehlt ihnen auch die Unterstützung einer Zentralbank und ihrer Funktion eines "lender of last resort": In dieser Rolle als "Kreditgeber der letzten Zuflucht" geben Zentralbanken Kredit, wenn niemand anderes mehr dazu bereit ist.

Es ist die Rolle eines "ultimativen Bereitstellers von Liquidität". Die brauche man gerade in Finanzkrisen, "um solche Krisen zu lösen", sagt der Mitautor der Studie, Professor Henning Vöpel vom HWWI. Den digitalen Währungen wohne keine Funktion inne, die nötig sei, "um ein modernes Geldwesen zu regulieren und zu steuern".

Bitcoin - Chance aus Mangel an Alternativen

Wo es dieses moderne Geldwesen und seine Infrastruktur nicht gibt, in Entwicklungsländern etwa, können sich Kryptowährungen aber womöglich "schneller durchsetzen als bei uns", sagte Berenberg-Volkswirt Quitzau. Das vergleicht sich etwa mit dem Umstand, dass in Entwicklungsländern die Technik der Festnetztelefonie übersprungen und gleich die Mobilfunkdienste eingesetzt wurden.

Kryptowährungen basieren auf der Blockchaintechnologie, die manche Bankfunktion ersetzt, die Identifizierung der Teilnehmer am Geldfluss etwa oder dessen lückenlose Dokumentation. Davon, so Vöpel, könnten Entwicklungsländer profitieren. Freilich gibt es Risiken: Wird eine Bitcoinforderung mit einem Bitcoinbetrag bezahlt, ist das Risiko gering.

Geht es aber darum, zum Beispiel eine Dollarforderung mit Bitcoin zu begleichen, kann es risikoreich werden: Bei stark fallendem Bitcoinkurs, kann die Rechnung in Bitcoin schnell teurer werden. Bei stark steigendem Kurs lohnte es sich, den Rechnungsbetrag erst ein paar Tage später anzuweisen: Dann müssten nämlich weniger Bitcoin eingesetzt werden. Richtig entspannt könnten Entwicklungsländer die Kunstwährungen also nicht nutzen, meinte Quitzau: "Es ist der Mangel an Alternativen, der in Entwicklungsländern Kryptowährungen besonders interessant machen kann."