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Beziehungen EU-Israel in der Krise

Bernd Riegert aus Brüssel18. November 2003

Israel hat von der Europäischen Union eine "ausgewogenere Haltung" mit Blick auf den Nahostkonflikt gefordert. Die EU will beim Außenministertreffen in Brüssel gegen den Boykott ihres Nahost-Beauftragten protestieren.

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Der EU-Sondergesandte für den Nahen Osten, Marc Otte, soll von der israelischen Regierung empfangen werden, obwohl er mit dem Präsidenten der Palästinenserbehörde, Yassir Arafat, gesprochen hat, den Israel international völlig isolieren will. Dieses Zugeständnis Israels, diese Selbstverständlichkeit, dass nämlich Unterhändler mit allen Konfliktparteien sprechen können, wird von der EU als großer Erfolg gefeiert. Das zeigt, auf welch kläglich niedriges Niveau die politischen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel gesunken sind.

Kluft ist groß

Der israelische Außenminister Silvan Shalom und der EU-Außenbeauftragte Javier Solana herzten sich vor den Kameras und betonten ihre Freundschaft. Doch hinter den verschlossenen Türen zeigt sich, wie groß die Kluft zwischen der Union und Israel inzwischen ist. Solana selbst vermied es, bei seiner letzten Nahostreise Shalom in Jerusalem oder die Autonomiebehörde in Ramallah zu besuchen, um die Boykottregeln der Israelis nicht zu verletzen.

Die EU-Außenminister halten an ihrer seit Monaten bestehenden Ablehnung der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern fest. Die Siedlungen, der Grenzzaun, die gezielten Tötungen seien nicht akzeptabel. Der israelische Außenminister Shalom hält dagegen, Israel müsse seine Bürger vor Terror schützen. Der Terrorismus habe weltweit antisemitische Ursachen. Wer deshalb gegen israelische Politik argumentiere, leiste Antisemitismus und Terrorismus Vorschub. Diese Vorwürfe sind nicht haltbar.

Kritik an Israel müsse erlaubt sein

Wer gegen die Politik der derzeitigen Regierung in Israel argumentiert, ist nicht gleich ein Antisemit. Dagegen verwahren sich die EU-Minister zu recht. Richtig ist, dass es seit dem Ausbruch der zweiten Intifada und den Anschlägen des 11. September in Europa und übrigens auch in den USA eine Zunahme der antisemitischen Straftaten gibt. Richtig ist auch, dass es in allen europäischen Staaten latenten Antisemitismus gibt, der aggressiv und mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Doch daraus nun den Schluss zu ziehen, wie der israelische Außenminister es tut, europäische Politiker dürften die israelische Regierungspolitik nicht kritisieren, um braune Tendenzen zu stoppen, ist falsch.

Der Ton wird schärfer

Doch Besorgnis erregend ist, dass der Ton der Auseinandersetzung immer schärfer wird. Je schlimmer die Lage im Nahen Osten wird, desto heftiger wird die Kritik an der Politik Israels. Deutschland ist im Ministerrat und in den Routinesitzungen der Botschafter in der EU in der Regel das einzige Land, dass Verständnis für die Lage Israels zeigt, das sich täglich in einem puren Existenzkampf sieht. Israel, so die deutsche Linie, ist eben kein normaler Staat, sondern hat aufgrund der historischen Verbrechen am jüdischen Volk eine besondere Rolle. Deutschland bekennt sich zu seiner moralischen und politischen Verpflichtung.

Zu beobachten ist leider, dass die Zahl derjenigen EU-Staaten, die für eine möglichst neutrale Rolle im Nahost-Konflikt plädieren, ständig abnimmt. Immer öfter wird der palästinensische Terror gegen die israelische Zivilbevölkerung nicht mehr erwähnt. Mit der Rolle des Iran oder Syriens im palästinensischen Terrorgeschäft beschäftigt sich die EU viel weniger intensiv. Deutschland muss teilweise schon darauf drängen, dass diese Passagen überhaupt noch in den Erklärungen der EU zum Nahen Osten auftauchen. Ein weiterer Nadelstich: Dänemark erhebt jetzt Strafzölle auf Waren aus jüdischen Siedlungen, die völkerrechtlich nicht Teil des Handeslabkommens zwischen der EU und Israel sind.

EU nicht homogen

Die EU wird von der israelischen Regierung als voreingenommen betrachtet, daraus machte Silvan Shalom in Brüssel keinen Hehl. Mit der mißglückten, weil empirisch völlig unhaltbaren Meinungsumfrage, welcher Staat den Weltfrieden am meisten gefährde, hat die EU-Kommission dem israelischen Außenminister ungewollt eine Steilvorlage geboten. Da die Mitglieder der EU nicht einheitlich agieren, machen sie es der israelischen Führung leichter, einen Keil in die EU zu treiben. Denn USA-freundliche, den Irak-Krieg unterstützende Neumitglieder aus Osteuropa gaben sich in Jerusalem die Klinke in die Hand. Auch der italienische Ratsvorsitzende Silvio Berlusconi besuchte den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und mied Arafat. Vertreter des "alten Europa" wurden dagegen schon monatelang nicht mehr am israelischen Regierungssitz gesehen.

Es ist an der Zeit, dass Israel und die EU ihren Gesprächsfaden wieder auf höchster Ebene aufnehmen, um den festgefahrenen Friedensprozess irgendwie zumindest ein kleines Stückchen weiter voran zu bringen. Die EU ist kein politisches, aber ein wirtschaftliches Schwergewicht in der Region. Sie könnte wenigstens versuchen zu vermitteln. Andauernde gegenseitige Vorwürfe helfen auf keinen Fall weiter.