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Beziehungen im Standgas

Thomas Bärthlein9. Juni 2003

Die Deutsch-Indische Handelskammer ist mit 6500 Mitgliedern die größte deutsche Auslandshandelskammer. Doch die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder sind von einem Spitzenplatz weit entfernt. Woran liegt das?

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Initiative ist gefragtBild: AP

Die Zahlen sind niederschmetternd: Deutschlands Außenhandel mit Indien beträgt weniger als ein halbes Prozent des gesamten deutschen Außenhandels. Und die Neu-Investitionen deutscher Firmen in Indien sind rückläufig. Deutschland liegt damit nur noch auf Platz 12, hinter Belgien oder den Niederlanden. Deutsche Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren stark auf neue Standorte in Osteuropa und China konzentriert und drohen auf dem riesigen indischen Markt den Anschluss zu verlieren.

Arun Shourie, Indiens Superminister für Privatisierungen, IT und Kommunikation, will die Verantwortung aber nicht nur den Deutschen zuschieben, wie er auf dem Jahrestreffen der Deutsch-Indischen Handelskammer Anfang Juni 2003 in Bonn betonte: "Wir in Indien müssen auch zugeben, dass wir ein Jahrzehnt später dran sind. China hat mit seinen Wirtschaftsreformen um 1980 begonnen, wir erst in den frühen Neunzigern. Jetzt ist mein persönlicher Eindruck aber: Die Vorstellungen von Indien wandeln sich, und auch die Vorstellungen von China. Deshalb ist jetzt ein guter Zeitpunkt, unsere Wirtschaftsbeziehungen gründlich zu verbessern!"

Arun Shourie wirkt nicht wie ein typischer Politiker, eher wie ein Intellektueller, der leise und differenziert analysiert. "Das
erinnert mich an die indische Politik", bemerkt er, als auf dem Podium ein Stuhl umfällt. "Viel Getöse, aber niemand kommt zu Schaden." So hat er nicht nur die Lacher auf seiner Seite, sondern sehr elegant Bedenken entkräftet, die manche ausländische Investoren in Indien haben: Wie stabil ist die innenpolitische und außenpolitische Situation? Kann man sich darauf verlassen, dass die Liberalisierung der Wirtschaft weitergeht? Man kann, sagt Arun Shourie von der hindu-nationalistischen BJP. Egal, welche Partei in Delhi und in den Regional-Regierungen an der Macht sei, die Reformen würden spätestens nach der nächsten Parlamentswahl 2004 einen neuen Schub bekommen.

Warum so "schüchtern"?

Indien hat viel erreicht: Die Wirtschaft wächst kontinuierlich mit gut 5 Prozent jährlich, trotz weltweiter Rezession. Damit gehört das Land mit gut einer Milliarde Menschen zur Weltspitze. Indische Software-Spezialisten sind weltweit gefragt, Indiens Raumfahrt-Industrie transportiert europäische Satelliten ins All.

Trotzdem tun sich deutsche Unternehmen schwer mit Indien. Besonders Mittelständler schrecken Schwierigkeiten mit Zoll, Bürokratie oder Zahlungsmoral. Der Bankier Bernhard Steinrücke, der zum 1.7.2003 neuer Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer mit Hauptsitz in Mumbai wird, warnt davor, sich dadurch abschrecken zu lassen:

"Die mittelständische Wirtschaft hat auch, wenn sie nur in
Deutschland bleibt, Riesenprobleme! Sie hat Riesenprobleme, wenn sie in das sich öffnende Osteuropa geht - und selbstverständlich hat sie auch Probleme, wenn sie in ein Land wie Indien geht. Aber vergleichsweise, muss man sagen, sind dann doch die Probleme, die man in Indien hat, einfacher zu lösen als so manche Probleme, die so ein Mittelständler in Deutschland haben wird!" In Indien gebe es einen sehr interessanten Markt und hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Fast überall werde Englisch gesprochen. Zudem gäbe es immer mehr Beispiele von Mittelständlern, die ihren Weg sehr erfolgreich nach Indien gegangen sind.

Einseitige Beziehungen

Viele wüssten einfach noch zu wenig über Indien: das Land, den Markt und seine Chancen, meint Steinrücke: "Für einen gebildeten Inder ist Europa ganz nah und auch Deutschland relativ nah, weil er hier entweder studiert hat, Verwandte oder Wirtschaftspartner hat." Für die Deutschen hingegen sei Indien ein Land, das weit weg ist und über das man gar nicht so viel Genaues wisse. "Da müssen wir ohne Zweifel mehr tun. Wir müssen bei den jungen Menschen anfangen. Wir müssen mehr deutsche Studenten auch nach Indien bekommen!"

Erste Ansätze gibt es bereits: Die führenden indischen IT-Firmen planen, Sommer-Aufenthalte deutscher Studenten in Indien zu sponsern. Mit ihrer Indien-Erfahrung, so die Hoffnung, würden diese jungen Leute dann später den schwächelnden deutsch-indischen Wirtschafts-Beziehungen neues Leben einhauchen.