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Schwierige Nachbarschaft

Anne Allmeling7. Oktober 2012

Seit Beginn des Konflikts in Syrien haben sich die Beziehungen zur Türkei kontinuierlich verschlechtert. Einen Krieg wollen Ankara und Damaskus vermeiden. Die Gründe dafür sind allerdings unterschiedlich.

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Türkischer Panzer an der Grenze zu Syrien (Foto: AP)
Bild: dapd

Lange galten der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Syriens Präsident Baschar al-Assad als Architekten einer neuen syrisch-türkischen Partnerschaft. Die Familien beider Politiker verbrachten sogar Teile ihres Urlaubs zusammen. Doch das ehemals enge Verhältnis zwischen Ankara und Damaskus hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren drastisch verschlechtert. Als deutlich wurde, dass Assad die anfangs noch friedlichen Proteste gegen sein Regime niederschlagen ließ, wandte sich Erdogan von ihm ab. Mittlerweile unterstützt die türkische Regierung offen die syrische Opposition.

Unberechenbare Folgen

"Man will zeigen, dass man auf der richtigen Seite der Geschichte steht, also auf der Seite der Rebellion", sagt Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Man will der Opposition helfen, sich aber nach Möglichkeit nicht selbst in einen Krieg hineinziehen lassen."

Karte Türkei-Syrien (Grafik: DW)

Für die Türkei wären die Folgen eines Krieges unberechenbar. Denn im syrisch-türkischen Grenzgebiet hat das Land zwei Gegner: die syrische Armee und die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Kurden gelten als das größte Volk ohne eigenen Staat und siedeln vor allem in der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien. Seit fast drei Jahrzehnten kämpft die PKK für einen eigenen Staat oder zumindest für Autonomie - mit blutigen Angriffen und Bombenanschlägen, vor allem auf türkischem Staatsgebiet.

Unterstützung für die PKK

In den 1990er Jahren hatte Damaskus die PKK unterstützt und ihr auf syrischem Boden ein Rückzugsgebiet gewährt - auch, weil die Türkei damals gute Beziehungen zu Israel unterhielt. Zur Zeit des Kalten Krieges galten Israel und die Türkei als prowestlich, während Syrien sich eher an den Interessen der Sowjetunion orientierte.

Portrait von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (Foto: Reuters)
Ministerpräsident Erdogan unterstützt Syriens OppositionBild: REUTERS

Mit dem Ende des Kalten Krieges verringerten sich die Gegensätze zwischen Syrien und der Türkei. Die 2002 an die Macht gekommene Regierung der islamisch orientierten AKP unter Erdogan wollte ihren Einfluss in der arabischen Welt ausdehnen - auch, um für die wachsende türkische Wirtschaft weitere Absatzmärkte zu sichern. Gute Beziehungen zum Nachbarland Syrien spielten dabei eine wichtige Rolle. Außerdem begann die Türkei zwischen Syrien und Israel zu vermitteln, um einen dauerhaften Frieden zwischen den beiden Staaten zu schaffen.

Gemeinsame Militärmanöver

Die Gespräche kamen aufgrund des Gaza-Krieges Anfang 2009 zum Stillstand. Die türkisch-israelischen Beziehungen verschlechterten sich drastisch, auf gemeinsame Militärmanöver wird seither verzichtet. Panislamische Solidarität hat für Erdogan einen höheren Stellenwert als die militärische Zusammenarbeit mit dem US-Verbündeten Israel. So wurde das Verhältnis zu Syrien zunächst immer enger.

Viele Menschen halten bei einer Demonstration in Ankara Plakate und Schilder gegen die PKK hoch (Foto: AP)
Demonstration gegen die PKK in AnkaraBild: dapd

Doch die politische Partnerschaft war nicht von Dauer - und ist in den vergangenen Monaten wieder in unverhohlene Feindschaft umgeschlagen. In den nordöstlichen Gebieten Syriens, in denen viele Kurden siedeln, hat die syrische Armee ihre Präsenz deutlich verringert. Jetzt gibt dort vor allem die Demokratische Unionspartei (PYD) den Ton an, die als syrischer Ableger der PKK gilt. Sie hat sich zwar erst vor kurzem dazu verpflichtet, nicht gegen die Türkei zu kämpfen. Doch manche Beobachter vermuten, dass die PYD und das Assad-Regime gemeinsame Sache machen. Und genau das will die Türkei verhindern. 

Freie Hand für Militäreinsätze

An einem Krieg hat Ankara aber kein Interesse. "Die Türkei möchte, dass das Regime von Baschar al-Assad abgelöst wird durch ein von der Opposition getragenes Regime, auf das sie dann deutlich mehr Einfluss hätte", sagt Nahost-Experte Volker Perthes. "Sie möchte aber nicht die militärische Partei sein, die es letztlich umsetzen muss." Stattdessen lässt die Türkei zu, dass die Opposition in Syrien über die türkisch-syrische Grenze mit Waffen versorgt wird. 

Soldaten an einem türkischen Panzer in der Nähe des Grenzortes Akcakale (Foto: Reuters)
Türkische Panzer in der Nähe des Grenzortes AkcakaleBild: Reuters

Doch auch Assad dürfte kein Interesse an einem Krieg mit der Türkei haben. "Das würde den Fall seines Regimes eher beschleunigen", sagt Volker Perthes. Denn diejenigen, die sich bislang neutral verhalten, würden sich im Kriegsfall sehr wahrscheinlich von Assad abwenden. Das gälte auch für viele seiner Anhänger. Blieben die Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze allerdings im Rahmen, können sie für Assad einen wichtigen Zweck erfüllen: die Angst vor einem länderübergreifenden Krieg in der Region weiter schüren.