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BGA: Kreditklemme kommt im Spätsommer

17. Juli 2009

Unternehmen klagen über zögerliche Kreditvergabe. Den Banken zufolge wächst dagegen das Kreditvolumen. Über diesen Widerspruch sprach DW-WORLD.DE mit Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel.

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Anton Börner, Präsident des BGA (Foto: anemel)
Anton Börner, BGA-PräsidentBild: anemel

DW-WORLD.DE: Herr Börner, Sie vertreten Unternehmen des Groß- und Außenhandels, also diejenigen, die von der Wirtschaftskrise und den zurückgegangenen Exporten besonders betroffen sind. Was ist Ihre Erfahrung? Haben wir im Moment eine Kreditklemme oder nicht?

Anton Börner: Wir können zurzeit nicht pauschal von einer Kreditklemme sprechen. Allerdings merken wir gerade schmerzhaft, dass die Banken in der Kreditvergabe sehr restriktiv werden. Das heißt, die Kreditprüfung ist zum Teil sehr streng. Vor allem beklagen wir, dass die Margen der Banken drastisch angezogen wurden und sich die Banken auch viele Folterwerkzeuge ausdenken, etwa Extragebühren. Hinzu kommt, dass die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank nicht weitergegeben werden. Das heißt, wir zahlen gewaltig hohe Risikoprämien auf die Kredite.

2010 wird sich die Kreditklemme verschärfen

Die EZB hat den europäischen Geschäftsbanken gerade eine Geldspritze von über 440 Milliarden Euro verpasst. Aber die Institute geben das Geld nur sehr zögerlich an die Unternehmen weiter. Erfüllen die Banken ihre Aufgabe nicht, den Wirtschaftskreislauf am Laufen zu halten?

Geldscheine vor Containerhafen (Grafik: DW)
Der Export-Einbruch trifft Unternehmen hartBild: Fotomontage DW

Börner: Ich habe Verständnis für die Situation der Banken, die ist nun wirklich nicht sehr komfortabel. Auf der einen Seite gibt es riesige Liquiditätsschwemme, man sollte glauben, die Banken könnten das einfach an die Unternehmen weiter geben. Auf der anderen Seite muss sich der Preis eines Kredits natürlich am Risiko orientieren. Das ist eine schwierige Situation, und wir sehen mit großer Sorge dem Spätsommer entgegen. Denn wir nehmen an, dass wir wegen der Basel II Richtlinien spätestens im dritten oder im vierten Quartal in eine Kreditklemme hineinlaufen, die sich im Jahr 2010 massiv verschärfen wird. Aus dem einfachen Grund, weil Basel II vorschreibt, dass die Banken in Abhängigkeit der Bonität der Kunden Eigenkapital zurückstellen müssen. In der Krise ist es völlig klar, dass die Ausfallwahrscheinlichkeiten steigen oder die Bonität der Kunden sinkt. Das führt dazu, dass man wesentlich mehr Eigenkapital von der Bankenseite vorhalten muss, um den gleichen Kredit zur Verfügung zu stellen. Dieses Eigenkapital fehlt, so dass wir mit einer Lücke rechnen müssen, die zurzeit niemand schließen kann.

"Der Staat spielt eine große Rolle"

Welche Rolle soll der Staat übernehmen?

Logo der KfW-Bankengruppe (Foto: AP)
In der Krise ist die Staatsbank KfW wieder eine gute AdresseBild: AP

Börner: Der Staat spielt eine sehr große Rolle im Bereich der notwendigen Eigenkapitalentlastung der Banken, damit diese nicht ihr Kreditvolumen zurückfahren müssen. Wir brauchen zwingend so genannte Lead-Investoren, also die KfW-Bank, die Bundesländer oder eben Notenbanken. Ohne Staat geht es nicht, allerdings soll er diese Aufgabe nur vorübergehend ausüben, bis die Finanzmärkte wieder funktionieren. Und der Staat hat auch noch eine zweite wichtige Aufgabe. Wir brauchen ganz dringend und ganz schnell eine Bad-Bank-Lösung, die auch funktioniert und die dann ihrerseits wiederum zu einer Eigenkapitalentlastung der Banken führt, also die erhöhten Risiken auf der Eigenkapitalseite der Banken abgefedert werden.

Der Steuerzahler trägt immer das Risiko

Soll das Risiko also von den Banken auf den Steuerzahler abgewälzt werden?

Börner: Bei allen diesen Maßnahmen geht es nicht darum, den Banken zu helfen, sondern den Zusammenbruch der gesamten Wirtschaft zu verhindern. Natürlich sagt man, der Steuerzahler trägt das Risiko. Aber ich sage es mal ganz pauschal, der Steuerzahler trägt es immer. Weil wenn die Krise weitergeht, würde die Arbeitslosigkeit jetzt auf fünf Millionen, dann auf sechs oder sieben hochschießen. Letztendlich zahlt es immer die Gesellschaft.

Die Aufschwungphase ist kritisch

Es sieht so aus, als ob die Talsohle schon erreicht wäre. Der Bundesverband der deutschen Industrie BDI meldet schon wieder Autragsplus. Sie sehen aber dennoch die Kreditklemme kommen. Heißt das, dass etliche Unternehmen trotz verbesserter Auftragslage den Aufschwung nicht erleben werden, weil sie vorher der Kreditklemme zum Opfer fallen?

Börner: Das Risiko besteht. Wir müssen sehen, auf welchem Bodensatz wir heute stehen. Wir beim BGA sagen auch immer, dass wir das Tal erreicht haben. Aber wir müssen ja wieder nach oben. Und das zweite ist, dass wir den Aufschwung, den wir uns ja alle wünschen, auch finanzieren müssen. Das heißt, wir brauchen in der Aufschwungphase zusätzliche Liquidität. Das ist dann für die Unternehmen meist die kritischste Phase: Sie bekommen im Aufschwung mehr Aufträge, können die aber nicht abwickeln und werden dadurch insolvent.

Das Interview führte Zhang Danhong

Redaktion: Andreas Becker