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Bier und Kassler in Demmin

Sabine Kinkartz13. Februar 2013

CSU, SPD, Grüne und Linke feiern ihren Politischen Aschermittwoch in Bayern. Die CDU nicht. Dafür tritt bei den Christdemokraten die Kanzlerin auf. Und das ist beileibe nicht der einzige Unterschied.

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Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel trinkt am 13.02.2013 in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) beim 18. Politischen Aschermittwoch der CDU Mecklenburg-Vorpommern aus einem Bierglas. Rund 1.000 Gäste haben sich zur bundesweit größten CDU-Veranstaltung am Politischen Aschermittwoch eingefunden. Foto: Stefan Sauer/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Es dämmert schon, als Bundeskanzlerin Angela Merkel in Demmin eintrifft. Doch das hat Tradition, denn der Politische Aschermittwoch der CDU Mecklenburg-Vorpommern beginnt seit nunmehr 18 Jahren erst, wenn alle anderen Parteien längst damit fertig sind. "Wir sind ja im Tagesablauf schon spät dran", sagt Angela Merkel zur Begrüßung, als sie gegen 17 Uhr die Halle betritt, "aber die letzten werden bekanntlich die ersten sein." Nicht nur für diesen Satz wird die CDU-Vorsitzende von den rund eintausend Parteianhängern in Demmin begeistert gefeiert.

Dicht gedrängt sitzen sie auf Bierbänken an langen Tischen in der örtlichen Tennis- und Squashhalle, trinken Bier und essen Kasslerbrötchen oder Wiener Würstchen. Der Boden ist mit grauem Industrieteppich ausgelegt, an einem Ende der Halle ist eine große Bühne aufgebaut. Seit 15 Uhr geben die "Barther Blasmusik" und die "Müritz Tanzgruppe" lautstark ihr Bestes, um die Gäste in Stimmung zu bringen. Applaus brandet auf, als der Europaparlamentarier Werner Kuhn, der im schwarzen Anzug und Zylinderhut durch das Programm führt, endlich die Kanzlerin ankündigt.

Aschermittwoch: Politisches Getöse

Der Wahlkampf hat begonnen

Für eine halbe Stunde darf Merkel erst einmal am Tisch ganz vorne an der Bühne Platz nehmen. Was sie dort zu hören bekommt, ist Balsam für ihre Politikerseele. Werner Kuhn und nach ihm der mecklenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhart Rehberg werden nicht müde, die Verdienste der Kanzlerin und ihrer Regierung in den höchsten Tönen zu loben. "Zeit für deutliche Worte", unter diesem Motto steht der Politische Aschermittwoch in Demmin. Besonders deutlich, das ist klar, soll im Wahljahr 2013 rüberkommen, dass es zu einer Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Alternative gibt.

Am SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück lassen Kuhn und Rehberg entsprechend kein gutes Haar. Mit Empörung zählt Rehberg auf, welche wichtigen Bundestagssitzungen Steinbrück verpasst habe, um stattdessen als gut bezahlter Redner unterwegs sein zu können. "Auf so einen Bundeskanzler kann Deutschland verzichten", so Rehberg. Werner Kuhn nimmt sich die FDP vor. In der Manier eines Büttenredners verteilt er Hiebe in Versen. Rösler, Brüderle, jeder bekommt sein Fett weg. "So überlebst du glatt wie ein Aal, das nennt man heute liberal", endet Kuhn, um dann die Kanzlerin, die in Vorpommern-Rügen ihren Wahlkreis hat, reimend aufs Podium zu bitten: "Liebe Angie, glaube mir, deine Heimat, das sind wir. Drum bitt ich dich, nun sei ein Schatz, komm hoch zu mir, hier ist dein Platz." 

Merkel bleibt nüchtern

Die Zuschauer erleben daraufhin nicht nur eine sichtlich gut gelaunte, sondern auch engagierte Rednerin und CDU-Parteivorsitzende. Derbe Pöbeleien gegen den politischen Gegner, typisch für den Politischen Aschermittwoch, sind allerdings nicht das Ding der Kanzlerin. Zwar wirft sie der SPD Versäumnisse in der Familien- und Arbeitsmarktpolitik vor und kritisiert die Grünen, sie würden wichtige Verkehrsprojekte blockieren, doch das ist schon alles. Stattdessen lobt sie noch einmal die nach einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit zurückgetretene Bundesbildungsministerin Annette Schavan. "Es hat noch keine einzige Bundesregierung gegeben, die so viel in Bildung und Forschung investiert hat", sagt Merkel mit Nachdruck.

Ungewohnt deutlich wird die Kanzlerin beim für den Koalitionspartner FDP Reizthema Mindestlohn. Mecklenburg-Vorpommern sei ein sehr schönes Land, das viele Touristen anziehe. Zimmermädchen, Kellner und Köche müssten aber soviel verdienen, dass man davon leben könne, so Merkel. "Deshalb sage ich, ganz freundlich, ich werde nicht nachlassen, unseren Koalitionspartner immer wieder darauf hinzuweisen: wir brauchen Lohnuntergrenzen. Es kann nicht sein, dass es Jobs gibt, in denen es keine Tarifvereinbarungen gibt, und wo die Menschen anschließend zum Arbeitsamt gehen müssen, um sich den Rest ihres Geldes abzuholen."  

Kampf gegen Steueroasen

Von der Innenpolitik schlägt die Bundeskanzlerin den Bogen auf die internationale Bühne. Sie wirbt für Europa und die Krisenpolitik der vergangenen Jahre. "Warum ist der Euro für uns gut? Was eint uns in Europa?", sind ihre Themen. Es folgt eine Ankündigung in Richtung G8. Sie werde sich beim nächsten Treffen der großen Industrienationen im Juni in Großbritannien für ein schärferes Vorgehen gegen Steuerparadiese stark machen, so die Kanzlerin. "Es kann doch nicht sein, dass riesige Unternehmen auf der Welt riesige Umsätze bei uns, in Europa, in den USA und sonst wo machen und Steuern zahlen sie irgendwo in einem Steuerparadies. Da muss ein Ende sein, dafür werde ich mich einsetzen und dafür muss die ganze Welt kämpfen, sonst schaffen wir das nicht."

Eine halbe Stunde spricht Merkel in Demmin, die Zuhörer danken ihr mit stehenden Ovationen. Zum dritten Mal, seit die Kanzlerin in die Halle eingezogen ist, spielt die Blaskapelle "Hoch soll sie leben" und die CDU-Parteivorsitzende sonnt sich sichtlich in der Sympathie, die ihr entgegenschlägt. Bevor der Politische Aschermittwoch zu Ende geht, wird noch gemeinsam das "Pommernlied" und das Lied vom "Mecklenburger Land" gesungen. Von "des Försters Hütte" ist da die Rede, von der "Dorfkapelle" und vom "Waldesrand". Draußen ist es dunkel geworden, in der Tennishalle bauen die Journalisten ihre Kameras ab. Noch ein Bier, dann muss auch die Kanzlerin zurück nach Berlin.