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Big Brother

Eckhard Tollkuhn11. September 2003

Was den Terroristen vom 11. September 2001 nicht gelungen ist, droht den Amerikanern von der eigenen Regierung. Unter dem Deckmantel der Terror-Bekämpfung verlieren sie Schritt für Schritt ihre persönlichen Freiheiten.

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45 Tage nach dem die Zwillingstürme fielen, unterzeichnete Präsident Bush den so genannten "Patriot Act", ein neues Gesetz, das die Jagd auf die Täter und zukünftige "Evildoers" erleichtern sollte. Dabei ging es weniger um all die neuen Maßnahmen, die den normalen Alltag erschweren, wie die Handtaschen- Durchsuchungen vor einem Konzertbesuch oder das lästige Schuhe ausziehen am Flughafen. Es geht vielmehr um institutionalisierte Veränderungen, die die persönlichen Freiheiten der Amerikaner wesentlich beschränken. Mit In-Kraft-Treten des Patriot Acts können die Sicherheitsbehörden zum Beispiel ohne Wissen des Betroffenen Haussuchungen durchführen, seine E-Mail abrufen und Telefongespräche belauschen, ja sogar die Computer in den Stadtbüchereien auf den Kopf stellen, auf der Suche nach verdächtiger Kommunikation auf der Festplatte.

Haft- und Untersuchungsbefehle werden von einem Geheimgericht ausgestellt, das sich vor dem 11. September nur mit internationaler Spionage zu beschäftigen hatte.

Das Anti-Terror-Gesetz wurde unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse im September 2001 rasch und ohne viel Widerspruch verabschiedet. Wer will denn in diesen Tagen auch schon gegen etwas sein, das den Titel "Vaterlandsliebe" trägt?

Doch fast zwei Jahre danach rührt sich der Widerstand gegen das Gesetz. Der Staat habe die Anschläge vom 11. September zum Vorwand genommen, um die zivilen Grundrechte außer Kraft zu setzen, sagen manche Kritiker. Dabei geht es ihnen weniger um einzelne Maßnahmen in dem Gesetzespaket als um die Art und Weise, wie die Sicherheitsorgane damit umgehen.

Viele Kongressabgeordnete beklagen, dass die Anwendung des "Patriot Acts" weitgehend unter dem Deckmantel der Geheimhaltung praktiziert wird. So erfahre man zwar von Justizminister John Ashcroft, dass er 170 Mal Sondergenehmigungen im Rahmen des Anti-Terrorgesetzes gewährt habe. Man erfahre aber nicht die näheren Umstände oder den betroffenen Personenkreis. Auskünfte dieser Art obliegen der strengsten Geheimhaltung, heißt es dazu aus dem Justizministerium. Unter Parlamentariern und vor allem bei Bürgerrechtsorganisationen regt sich der Verdacht, dass die neuen Regelungen nicht allein im terroristischen Rahmen Anwendung finden, sondern auf die Bekämpfung normaler Kriminalität ausgedehnt werden könnten. Ab und zu dringen Einzelheiten aus dem Nebel der Geheimniskrämerei an die Öffentlichkeit. So empörte sich zum Beispiel eine Frau darüber, dass ihre Bank eine Überweisung an ihren Mann über 300 Dollar verweigerte. Ihr Mann ist zwar amerikanischer Staatsbürger, trägt aber den Namen Nasir Khan. Die Frau ist Abgeordnete im Staatsparlament von Massachusetts und sicherlich jetzt kein Anhänger des "Patriot Acts" mehr.

Viele Amerikaner sehen hier schon die Anfänge des Überwachungsstaates. Die Gegnerschaft gegen das Gesetz wächst und sie bildet sich in allen Gesellschaftsschichten. Eine unheilige Allianz aus Rechten und Linken formiert sich gegen Bemühungen der Regierung Bush, die gesetzlichen Befugnisse unter dem Logo "Patriot 2" noch weiter auszubauen.

"Patriot 1" verliert seine Gültigkeit im Jahre 2005, ein für die Regierung lächerlich kurzes Haltbarkeitsdatum für ein nützliches Instrument, mit einem vielleicht größeren Anwendungsbereich, als für den es ursprünglich gedacht war.