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Bildergeschichten

Tillmann Bendikowski17. Juli 2012

Eine deutsche Frau raucht nicht? - 1910: Noch wird lächelnd für Zigaretten geworben.

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Rauchende Frau schulterfrei mit Blume im Haar ullstein bild
Bild: ullstein bild

Purer Genuss – jedenfalls für die damalige Zeit: Eine junge Frau wirbt schulterfrei und mit Blume im Haar für eine gepflegte Rauchpause. Dieses Foto entstand um das Jahr 1910, und das Rauchen war zumindest für die Männer noch eine Selbstverständlichkeit. Und gerade in den Städten der 1920er Jahre traten Frauen mit einer Zigarette in der Hand immer selbstbewusster auf. Doch – und darüber kann auch dieses demonstrative Lächeln nicht hinwegtäuschen – rauchende Frauen hatten es schwer.

Den meisten Deutschen galt das Rauchen bei Frauen schlicht als anzügliches Verhalten. Die weit verbreitete Vorstellung, wonach eine deutsche Frau nicht zum Glimmstängel greifen dürfe, war dominant. Und gerade in der NS-Zeit wurde diese Vorstellung neu belebt, als man die deutsche Frau auf ihre biologische Funktion als Mutter reduzierte. Ihre Gesundheit schien besonders schützenswert – und der Genuss von Nikotin galt als eklatanter Verstoß gegen diese ideologisch verordnete Rollenzuschreibung.

Der NS-Staat sagte dem blauen Dunst generell den Kampf an, und auch die ersten Schritte zum Nichtraucherschutz fallen in diese Zeit. So erhielten alle Züge Nichtraucherabteile, und viele Städte untersagten das Rauchen in Straßenbahnen. Dabei hatten auch die Nazis mit Glimmstängeln einst Geld verdient: Für sie vertrieb Ernst Röhms SA bis 1934 eine Zigarettenmarke mit dem programmatischen Namen "Sturm", wodurch beachtliche Summen in die Kasse gespült wurden. Und was die Nazis konnten, versuchten auch die Sozialdemokraten: Am Ende der Weimarer Republik brachten sie eine "Freiheits-Zigarette" auf den Markt. Doch mit der Freiheit war es in Deutschland bekanntlich schon bald darauf vorbei – und damit zugleich mit der nach ihr benannten Zigarette.

Eine eigene Partei-Zigarette würde heute in Zeiten des Nichtraucherschutzes niemand mehr präsentieren. Längst drängen sich die letzten Raucher vor den Türen von Betrieben und Lokalen in kleinen, unansehnlichen Suchtgruppen, keiner von ihnen würde heute schulterfrei und blumengeschmückt für ein Erinnerungsfoto posieren. Vielleicht mögen sie sich mit der Erkenntnis trösten, dass sie nicht die ersten Opfer sinnvoller Nichtraucher-Vorschriften sind: Das erste bekannte Tabakverbot der Welt stammt schließlich aus dem Jahr 1575 – es untersagte das Rauchen in mexikanischen Kirchen.