1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bildergeschichten (18)

Tillmann Bendikowski19. September 2012

Der Professor und sein Lump - 1903: Theodor Mommsen bei der Arbeit.

https://p.dw.com/p/16ACw
Literaturnobelpreisträger Theodor Mommsen *1817-1903+ Historiker, Jurist; D Porträt im Garten seines Hauses in Berlin, Marchstrasse - 1903 - 01.01.1903-31.12.1903 ullstein bild
Bild: Ullstein

Es sieht vielleicht aus wie eine Pause, ist es aber sicherlich nicht: Theodor Mommsen sitzt an einem warmen Juni-Tag des Jahres 1903 im Garten seines Hauses in Berlin-Charlottenburg, in ein Buch vertieft. Es ist eine mühevolle Lektüre, weil der 85-Jährige kaum noch sehen kann. Mommsen ist zu diesem Zeitpunkt (rund fünf Monate vor seinem Tod) wohl der bekannteste deutsche Historiker. Im Jahr zuvor ist ihm als erstem Deutschen der Nobelpreis für Literatur verliehen worden – für seine mehrbändige "Römische Geschichte". Die Schwedische Akademie für Sprache würdigte nach eigenen Worten damit die stilistische Virtuosität des "größten lebenden Meisters der historischen Darstellung".

Das Schreiben hatte Theodor Mommsen früh als Redakteur der "Schleswig-Holsteinischen Zeitung" gelernt. Der studierte und promovierte Jurist entschied sich zwar schließlich für die Wissenschaft, aber er war und blieb ein politischer Kopf – wenn man so will: ein politischer Professor. Als solcher beteiligte er sich 1848 in Leipzig am revolutionären Geschehen (wofür er seinen Lehrstuhl verlor), später wurde er Mitglied des Reichstags und lieferte sich unter anderem bei der Frage der Sozialpolitik eine viel beachtete Auseinandersetzung mit Reichskanzler Bismarck. Als Historiker organisierte er von seinem Berliner Lehrstuhl aus maßgeblich die Erforschung der antiken Geschichte, vor allem von der Sammlung alter Inschriften profitiert die Wissenschaft bis heute.

Mommsen war zugleich einer der leidenschaftlichsten Historiker seiner Zeit: "Tu, was du willst", lehrte er in diesem Sinne seine Söhne, "doch tu's mit Leidenschaft!". Er selbst war berühmt-berüchtigt für seinen Witz und seinen Spott, ein hoch sensibler und verletzlicher Egozentriker. Wenn er auftrat, war es also nie langweilig, und manchmal trieb ihn die reine Lust zur Provokation: Als er einst in der Vatikanischen Bibliothek in Rom weilte, betrat der damalige Hausherr Papst Leo XIII. den Lesesaal, woraufhin sich alle Anwesenden pflichtschuldig zur Begrüßung erhoben. Nur Professor Mommsen blieb sitzen und ignorierte ihn geflissentlich – was selbstverständlich zum Eklat führte und ein gefundenes Fressen für die italienische und deutsche Presse war.

Was fehlt? Ach ja, der Lump. So hieß nämlich der Hund zu Mommsen Füßen.