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Bildergeschichten

Tillmann Bendikowski6. Juni 2012

1952: der erste getötete Demonstrant in der Geschichte der Bundesrepublik.

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Der KPD-Vorsitzende Max Reimann(r.) spricht bei der Beisetzung des am 11.5.1952 Getöteten ullstein bild
Bild: ullstein bild

So ist das leider mit vermeintlichen Märtyrern: Heute als Helden für die gute Sache gefeiert, sind sie morgen vielleicht schon wieder vergessen. Mit Philipp Müller verhält es sich so. Am 19. Mai 1952 zelebriert die KPD auf dem Münchener Westfriedhof eine kolossale Trauerfeier für den 21-Jährigen. Als Kämpfer für eine bessere Welt und verdientes Mitglied der „Freien Deutschen Jugend" wollen ihn die Genossen in Erinnerung behalten, was dann aber höchstens in der verordneten Erinnerungskultur der DDR gelingen sollte. Heute weiß kaum noch jemand, dass Müller der erste Demonstrant war, der in der Bundesrepublik durch Polizeigewalt ums Leben kam – und dass es im Westen einst überhaupt die FDJ gab.

Vor allem in den Industriestädten an Rhein und Ruhr erschien vielen nach Diktatur und Krieg der Kommunismus als vernünftige politische Alternative; die KPD war eine feste Größe. Und rund 13.000 westdeutsche Jugendliche schlossen sich der Freien Deutschen Jugend an. Sie präsentierte sich unter anderem als Hüterin der deutschen Einheit und protestierte etwa mit spektakulären Helgoland-Fahrten gegen die Nutzung der Insel als britisches Bombenabwurfziel. Doch zunehmend geriet die Organisation unter die Fuchtel der ostdeutschen SED, die sie als nützliche Kolonne im Kampf gegen das verhasste „Adenauer-Regime" einsetzte. Darauf reagierte die Bonner Regierung 1951 mit dem Verbot der Jugendorganisation im Westen.

Doch im Untergrund blieben viele FDJler aktiv. Und als die Stadt Essen am 11. Mai 1952 ihr 1100-jähriges Bestehen feierte, mischten auch sie sich unter die 30.000 Demonstranten einer „Friedenkarawane" gegen die Wiederbewaffnung. Als die Polizei die Versammlung auflöste, kam es zu Schlägereien und Steinwürfen. Aus einer Polizeipistole fielen Schüsse – und Philipp Müller wurde tödlich getroffen. Als er einen Stein aufheben wollte, behauptete die Polizei; als er sich vor den Schüssen duckte und in Sicherheit bringen wollte, erklärten andere Demonstranten. Es war Notwehr, urteilte später das Landgericht Dortmund.