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Bildergeschichten: Der dritte Mann tritt ab

Tillmann Bendikowski6. Mai 2014

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1948: In Deutschland sind die Tage des Schwarzmarkts gezählt

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Schwarzmarkt Berlin 1945 - 1949
Bild: Ullstein Bild/Georg Schmidt

Wir wollen diesem gut gekleideten Herrn auf dem Foto ja nicht zu nahe treten – aber schon auf den ersten Blick hat man den Eindruck, er verdiene sein Geld nicht mit ehrlicher Arbeit. Aber was ist in diesem Sommer 1948 schon "ehrliche Arbeit"? Der smarte Herr mit Hut jedenfalls agiert offensichtlich erfolgreich auf dem Schwarzmarkt, hier in Berlin in der Nähe der zerstörten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Das ist zwar verboten – aber für die Menschen in Deutschland ist diese Art des Handels zu jener Zeit schlichtweg eine Notwendigkeit. Hier erhalten sie, was die Geschäfte nicht führen.

Auf dem Schwarzmarkt begegnen sich Gewinner und Verlierer: Wer in der Not über Wertvolles verfügt, wird oft noch reicher, während die Armen mit der Zeit immer ärmer werden. Wenn man so will, ist der Handel eben schlicht sozialdarwinistisch strukturiert. Die Deutschen üben dabei notgedrungen aber auch so etwas wie kaufmännische Geschicklichkeit ein: Es muss geschachert und gefeilscht werden, die getauschten Waren vielleicht zu einem anderen Markt gebracht und gewinnbringender abgesetzt werden. Mancher lernt da schon für die kommende Marktwirtschaft…

Auch für gewissenlose Verbrecher ist der Schwarzmarkt ein lukratives Geschäft, vor allem wenn es um den schwunghaften Handel mit Medikamenten geht. Der britische Kinofilm "Der dritte Mann" hat diesem Typus des skrupellosen Penicillin-Schiebers in der Person des Harry Lime (gespielt von Orson Welles) ein Gesicht gegeben. Der Film dokumentiert ein Drama der Nachkriegsrealität: Mit dem neuen Medikament können plötzlich Krankheiten schnell geheilt werden, die eben noch als tödlich galten. Gerade die durch die Unterernährung der Bevölkerung sehr verbreitere Lungenentzündung lässt sich durch Penicillin fast immer wirkungsvoll bekämpfen. Doch weil einige Schieber das Medikament nur überteuert oder sogar gestreckt auf den Schwarzmarkt bringen, siechen viele Kranke weiterhin qualvoll dahin.

Erst die Währungsreform setzt dem Schwarzmarkt ein Ende. Als im Sommer 1948 die "Deutsche Mark" kommt, sind auch die Läden wieder voll. In Berlin kann sich der Schieber noch eine Zeitlang mit dem privaten Geldtausch von West- und Ostmark über Wasser halten, dann verschwindet auch er von den deutschen Straßen. Der dritte Mann ist fortan Geschichte.