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„Bildung schafft Freunde“

Jochen Kürten 10. August 2007

28. Hauptversammlung des "Verbandes Deutscher Lehrer im Ausland" in Stralsund. Dialog der Kulturen in der Praxis. Lehrer und Funktionäre diskutieren über das deutsche Auslandsschulwesen.

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Schriftsteller Ilija Trojanow (Quelle: Peter Andreas Hassiepen)
Schriftsteller Ilija Trojanow: Der Besuch einer deutschen Auslandsschule hat ihn geprägtBild: Andreas Hassiepe

Seit Jahren schon spricht man in Politik und Wirtschaft, in Kultur und Gesellschaft über Globalisierung. Und seit Jahren ist man sich in all diesen Bereichen auch einig, dass die "Ware Bildung“ in der zusammenwachsenden Welt eine herausragende Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund sollte sich eigentlich eine Diskussion über die Bedeutung der deutschen Auslandsschulen erübrigen. Doch bis vor kurzem klaffte zwischen Theorie und Praxis eine große Lücke. Vollmundigen Politiker-Reden über die Bedeutung eben dieser Bildungseinrichtungen im Ausland folgten kaum Taten, sprich verlässliche finanzielle Zusagen. Das soll nun anders werden.

Mehr Geld für Deutsche Schulen im Ausland

Die Politik nimmt die Auslandsschulen inzwischen stärker wahr. Diese Ansicht vertraten in Stralsund Vertreter von Bund und Ländern. Reden sollen nun auch Taten folgen. In diesem und im kommenden Jahr erhalten die deutschen Bildungseinrichtungen außerhalb der Landesgrenzen insgesamt 41 Millionen Euro zusätzlich. Eine Investition, die sich auszahlen soll.


Schriftsteller Trojanow: Kulturelle Kompetenz ist heute entscheidend


"Es ist zweifellos so, dass das Aufwachsen in einer Mehrsprachigkeit und in einer sehr fragmentierten Wahrnehmung, wo eine Sache im Schulunterricht galt und eine andere Sache im Alltag, zu Hause vielleicht noch mal eine dritte Sache, dass heißt ein Aufwachsen in dem Bewußtsein, je nach dem, wo man anklopft, verschiedene Antworten hört, glaube ich, der Entwicklung geistig, aber auch ethisch sehr, sehr gut tut."

Ilija Trojanow ist spätestens seit seinem Roman "Der Weltensammler" einer der wichtigsten Schriftsteller deutscher Sprache. Die hat er in einer deutschen Auslandsschule gelernt. Geboren in Bulgarien, aufgewachsen in Italien und Deutschland, hat Trojanow die deutsche Schule in Kenia besucht. Nach Zwischenstationen unter anderem in Indien, lebt er heute in Südafrika. Für ihn war der Besuch der deutschen Schule in Kenia eine ganz entscheidende und prägende Lebensstation:

"Wir überschätzen immer die Bedeutung des Wissens und unterschätzen Elemente wie zum Beispiel kulturelle Kompetenz. Es gibt natürlich auch eine kulturelle Intelligenz und Kompetenz und die ist in der heutigen Welt, in einer wirklich rasant anachronistisch und gleichzeitig auch zusammenwachsenden Welt besonders wichtig, weil es sehr, sehr viele Berufe gibt, wo kulturelle Kompetenz eigentlich die Hauptvorrausetzung ist."

Derzeit werden 60.000 einheimische und 17.000 deutsche Schülerinnen und Schüler im Ausland unterrichtet. Das ist ein gelebter "Dialog der Kulturen“ auf hohem Niveau. Viele der Absolventen deutscher Schulen im Ausland sind heute in Industrie und Handel, in Wirtschaft, Kultur und Politik tätig.

"Ich hab deutsche Zuverlässigkeit gelernt"

In Stralsund äußerte sich so mancher junger Schulabgänger geradezu enthusiastisch über das, was er in einer solchen Einrichtung gelernt hat: Javier Arguedas aus Costa Rica hat dort eine deutsche Schule besucht, heute studiert er in Siegen Medienwissenschaften:

"Besonders faszinierend ist diese Zuverlässigkeit, das ist etwas, was ich an Deutschland und den Deutschen sehr faszinierend finde, diese Zuverlässigkeit! Man weiß, beispielsweise mit der Pünktlichkeit oder mit der Art und Weise Systeme auszudenken... Man fühlt sich auch aufgenommen, weil man weiß, man ist in guten Händen, ich glaube diese Art und Weise zu handeln, diese Art und Weise das auch durchzusetzen, was man sich vornimmt, das habe ich in der deutschen Schule auch mitgelernt, und das ist etwas, was ich an der deutschen Kultur und an Deutschen extrem bewundere."

Auch die Lehrer sollen lernen

Der Besuch einer deutschen Auslandsschule bedeutet auch immer Kulturtransfer. Beide Seiten sollen profitieren. "Begegnungsschulen" heißen dann auch die Bildungseinrichtungen, die unter all den Schulformen derzeit am meisten Zuspruch erhalten. Heute ist bei dem meisten durchgesickert, dass der Schulbesuch im Ausland auf dem Prinzip "Geben und Nehmen" basiert.

Dorothee Weis, Anfang 30, Lehrerin in Baden-Würtemberg, will erst noch ins Ausland. Sie ist in Buenos Aires in eine deutsche Schule gegangen, hat in Spanien, Südafrika und Frankreich studiert und möchte nun ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergeben, gleichzeitig aber auch wieder lernen – als Lehrerin an einer deutschen Auslandsschule:

"Wenn man jemand eine Sprache beibringt, dann bringt man natürlich nicht nur grammatikalische Strukturen bei, sondern man bringt jemandem auch den Kulturraum näher, in dem diese Sprache gesprochen wird! Es geht um Dinge wie Literatur, Film, Geschichte. Das ist ein wesentlicher Bestandteil. Mir ist es aber auch ganz wichtig, dass es nicht eine Einbahnstraße ist, dass wir nur deutsches Kulturgut exportieren. Es geht auch darum Anstöße aus dem Ausland wieder mitzunehmen nach Deutschland."

Viel Enthusiasmus bei Pädagogen - trotz wenig Geld

Bei aller Aufbruchsstimmung, die zu spüren war in Stralsund, gewichtige Probleme bleiben. Die Bezahlung an den Schulen ist oft unterdurchschnittlich, Aufstiegschancen kaum vorhanden. Und es gehört natürlich auch dazu, sich für einige Jahre komplett in Deutschland abzumelden. Doch letztendlich überwiegt für angehende Auslandspädagogen der Reiz, andere mit deutscher Kultur zu konfrontieren und die Erfahrung anderer Kulturen danach wieder mit nach Deutschland zu bringen.