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Illegale Einwanderer

Steffen Leidel11. April 2007

Der Weg nach Europa ist für illegale Einwanderer lebensgefährlich. Doch auch dort erwartet sie nicht das versprochene Paradies. Endstation für viele ist die Arbeit in den Gewächshäusern Andalusiens.

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Afrikanische Flüchtlinge aufgegriffen auf dem Weg nach Spanien. Quelle: AP Photo
Tausende versuchen jedes Jahr von Afrika nach Europa zu gelangen - oft über SpanienBild: AP

Mustafa fröstelt, er zieht sich seine Mütze ins Gesicht. Der 27-jährige Senegalese steht an einem Kreisverkehr am Stadtrand El Ejidos. Es ist 7 Uhr morgens, Nebelschwaden wandern über die Straße. Mustafa ist nicht der einzige der gekommen ist. Im Schein gelber Straßenlaternen sind mehrere kleine Grüppchen von Afrikanern zu sehen. Sie warten stumm.

"Hier sind Leute aus Gambia, Guinea, Mali. Jeden Morgen kommen wir hierher, um Arbeit zu finden", erklärt Mustafa. Es gebe Leute, die seien schon um halb sieben hier und suchten Arbeit in den Gewächshäusern.

Warten auf Arbeit im Meer der Gewächshäuser

El Ejido ist eine 75.000 Einwohnerstadt ohne Touristenattraktion, im Würgegriff eines der größten Gemüseanbaugebiet der Welt. Die gesichtslose Stadt liegt 30 Kilometer westlich von Almeria, mitten in einem Meer aus Gewächshäusern. Tomaten, Paprika, und Kopfsalate gedeihen hier unter den Plastikplanen. 1,5 Millionen Tonnen Gemüse werden für den Export in die anderen europäischen Länder geerntet. Arbeit gibt es genug, dennoch müssen Mustafa und die anderen oft stundenlang warten: "Alle, die hier stehen, haben keine Papiere. Wir warten bis zu fünf Stunden. Um zwei Uhr gehen wir, um etwas zu essen, später um drei kommen wir wieder."

Journalisten sehen die Wartenden nicht gerne. Sie verderben das Geschäft. Kein Landwirt hält an, wenn er ein Mikrofon sieht. Hohe Strafen drohen denen, die Einwanderer ohne Papiere beschäftigen. Dennoch stirbt die Hoffnung der Afrikaner nie, dass doch mal ein Landwirt hält. Auch wenn Mustafa leer ausgeht, jeden Morgen kommt er an denselben Kreisverkehr, seit acht Monaten.

Immer weiter nach Norden

Ein Grenzzaun in Ceuta. Quelle: AP Photo
Die EU sichert ihre Grenzen - Ein Grenzzaun in CeutaBild: AP

Mustafa kam – wie fast alle anderen – in einem morschen Boot über die Kanaren nach Europa: "Alle Leute in Afrika - nicht nur die Senegalesen - wollen nach Europa." Sicher gäbe es viele Tote, das sei bekannt, aber das Leben in Europa sei eben besser als in Afrika.

In El Ejido will Mustafa nicht mehr lange bleiben, er will weiter nach Norden, vielleicht nach Valencia, Barcelona, Frankreich, vielleicht sogar nach Deutschland: "Ich habe keine Wohnung, ich schlafe in der Garage einer Baustelle, auch auf der Straße." Die Leute seien aber gut zu ihm, auch die Polizei. Als Einwanderer sei es das Problem, Papiere zu bekommen.

Papiere - ein unerfüllbarer Traum

Reisepass mit Chip
Normale Papiere - für die meisten Illegalen kaum jemals erreichbarBild: picture-alliance/dpa

Die Aussichten, dass er sie jemals bekommt, sind schlecht. Das bedeutet für ihn, es ist so gut wie unmöglich eine Wohnung zu finden. So geht es Tausenden. Sie leben zerstreut irgendwo zwischen den Gewächshäusern. In der kargen Landschaft von Nijar, wo vor allem Kopf- und Eisbergsalat angebaut wird, leben besonders viele Marokkaner.

An der Landstraße liegt ein Ort, den sie Casa Vieja (altes Haus) nennen. Das Haus ist ein alter Bauernhof in Ruinen. Etwa 50 junge Marokkaner leben hier. Der 22-jährige Halib, ebenso ein Arbeiter ohne Papiere erzählt: "Ich kam mit einem Lastwagen über Tanger, vor zwei Jahren, seit acht Monaten bin ich hier."

Schlimme Arbeitsbedingungen und wenig Lohn

Halib hat sich in den Ruinen mit alten Matratzen, Karton und Plastikplane ein Dach über den Kopf gebaut. Wasser oder Strom gibt es nicht. Er arbeitet in einem Gewächshaus, eine Stunde Fußmarsch von der Casa Vieja entfernt: "Die Arbeit ist schwer, in den Gewächshäusern ist es sehr heiß, für acht Stunden zahlen sie mir 31 Euro. Das Leben ist schlecht."

Bunter spitzer Paprika
Spanien ist einer der größten Gemüseproduzenten der EU - auch auf Kosten IllegalerBild: dpa

Manch ein Landwirt nutzt die ausweglose Situation der Migranten aus, kritisiert Abdelkader Cacha von der Landarbeitergewerkschaft "SOC". Abdelkader, selbst Marokkaner, kümmert sich um die Rechte von Einwanderern. Er beklagt die schlechten Arbeitsbedingungen in den Gewächshäusern: "Neulich kam ein Arbeiter zu uns, um einen Landwirt anzuzeigen. Er hatte Spritzmittel ins Auge bekommen." Doch der Bauer hätte nicht zugeben wollen, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Es gäbe viele, die krank seien. Schutz für die Arbeiter existiere nicht, deckt Abdelkader auf: "Sie haben keine Masken, keine Schutzkleidung. Wer das einfordert, der fliegt raus."

Die Region ist wegen der Illegalen reich

Es ist nicht zuletzt die Arbeit der Einwanderer in den Gewächshäusern, die das einstige Armenhaus Almeria zu einer der reichsten Provinzen Spaniens gemacht hat. Viele haben ihre rechtliche Situation regeln können, so wie der Senegalese Abdul. Er kam vor 18 Jahren nach Spanien. Heute lebt er in der Stadt Roquetas del Mar, in einem Viertel das sie das Viertel der 200 Wohnungen nennen. Abdul erzählt: "Hier leben eigentlich nur Einwanderer. Früher gab es noch Spanier, die haben alles verkauft."

Er ist selbst inzwischen Arbeitgeber und besitzt einen Telefonladen, ein Lebensmittelgeschäft und seit kurzem eine Bar: "Hier in die Bar kommen die Leute um Fußball zu schauen, und ich serviere ihnen Essen aus meiner Heimat."

Die Sehnsucht nach der Heimat bleibt

Abdul hat einen langen, schweren Weg hinter sich. Jahrelang arbeitete er in den Gewächshäusern und hatte dort einen guten Chef, der ihm half an Papiere zu kommen. Er weiß, dass er Glück hatte, für die Mehrheit seiner Landsleute sieht er keine Perspektive: "Es ist sehr schwer ihnen zu sagen: Hier in Europa gibt es einfach keine Arbeit für euch." Sie würden es nicht glauben und einfach sagen: "Gönnst Du es mir etwa nicht, dass ich komme?"

Abdul hat sich mit seiner Situation arrangiert. Ein Positivbeispiel eines Einwanderers sei er aber nicht. Denn glücklich ist er nicht geworden und seine Eltern hat er seit 12 Jahren nicht mehr gesehen. An manchen Tagen ist das Heimweh unerträglich, dann wünscht er sich, er wäre nie nach Spanien gekommen.