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68 Sklaven arbeiten für mich

Klaus Jansen10. Juni 2013

Ein Test auf der Internetseite slaveryfootprint.org hat zum Ergebnis, dass ich weltweit 68 Menschen unter unwürdigen Bedingungen für mich schuften lasse. Wenn das stimmt, was kann ich dagegen tun?

https://p.dw.com/p/18nDs
Screenshot:slaveryfootprint.org
Screenshot slaveryfootprint.orgBild: Screenshot slaveryfootprint.org

Kugelschreiber, Duschgel und Windeln für mein Kind: Vor allem diese Gebrauchsgegenstände haben mein Testergebnis in die Höhe schnellen lassen, erklärt mir die Seite slaveryfootprint.org. Verschiedene Rohstoffe, die in diesen Produkten stecken, wie zum Beispiel Baumwolle, Kohle oder bestimmte Metalle werden unter menschenunwürdigen Bedingungen weltweit geerntet oder abgebaut und weiterverarbeitet. Meine Sklaven sitzen demnach hauptsächlich in China, einige werden aber auch in Südamerika, der Ukraine, Russland, Indonesien oder Indien zur Arbeit gezwungen.

Hinter der Webseite steckt eine gemeinnützige Organisation, die ihren Sitz in Kalifornien hat. Justin Dillon, der Gründer, geht davon aus, dass weltweit 27 Millionen Menschen dazu gezwungen werden, ohne Bezahlung zu arbeiten. Anstelle von Sklaverei könnte man hier auch von unbezahlter Zwangsarbeit sprechen.

Weltkarte mit dem Ergebnis: 68 Sklaven arbeiten für Sie (slaveryfootprint.org)
Ein ernüchterndes Ergebnis. Was ist es wert?Bild: Screenshot slaveryfootprint.org

Dillon suchte etwa 400 alltägliche Produkte aus, vom Smartphone über T-Shirts bis hin zum Kaffee oder dem Ring, den man am Finger trägt. Daraus errechnete er Durchschnittswerte, die schließlich zum Testergebnis führen - in meinem Fall sind es 68 Sklavenarbeiter. Der Test ist ansprechend gestaltet und darauf ausgelegt, in Sozialen Netzwerken möglichst oft weiterempfohlen zu werden. Denn der Organisation geht es vor allem darum, das Thema bekannt zu machen.

Mehr Details, bitte

Inhaltlich gibt es einige Kritik an slaveryfootprint.org. Sabine Ferenschild von der Nichtregierungsorganisation "Südwind", die sich mit internationalen Wirtschaftsthemen befasst, sieht den Begriff "Sklaverei" kritisch: "Es ist sehr schwierig zu quantifizieren, was sklaverei-ähnliche Arbeitsverhältnisse sind, und was nicht eher freie Lohnarbeit ist, aber gleichzeitig trotzdem eine extreme Ausbeutung darstellt."

Die Seite lege zwar ihre Quellen weitgehend offen, aber detaillierte Angaben zu bestimmten Themen fehlten, meint Ferenschild im DW-Interview. Die Idee findet die Expertin für Textilien gut, ihr geht die Seite aber nicht weit genug. "Wenn sich diese Website um einige Themen erweitern würde: oft fehlende soziale Mindeststandards, menschenwürdiger Lohn, der kaum gezahlt wird, dann wäre sie wegweisend."

Sabine Ferenschild, Institut Südwind (Foto: DW)
Sabine Ferenschild vom Institut Südwind sieht Unternehmen und Politik in der PflichtBild: DW/M. Jordanova-Duda

Was kann ich tun?

Im Klartext heißt das: Selbst wenn die Zahl 68 nicht stimmt, schafft die Seite es doch, ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen. Menschen auf der ganzen Welt arbeiten unter unwürdigsten Bedingungen, um meinen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Nachdem mir carbonfootprint.com schon erklärt hat, wie folgenschwer meine Flugreisen für die Umwelt sind, wird mir hier ein weiteres Problem medienwirksam nahe gebracht.

Grafik, über wie viel Kleidung man verfügt (Foto: slaveryfootprint.org)
Baumwolle wird oft unter unmenschlichen Bedingungen produziert, das erhöht die Zahl der ZwangsarbeiterBild: Screenshot slaveryfootprint.org

Die Lösung von Slaveryfootprint lautet: Verbreite das Wissen um die moderne Sklaverei weiter und spende Geld. Die Seite empfiehlt nicht, bestimmte Produkte zu meiden. Die dort ausgewählten Nahrungsmittel und Gegenstände sind keinen bestimmten Marken zuzuordnen. Ohnehin würde das nur wenig bringen, ist Sabine Ferenschild von "Südwind" überzeugt: Sich mit dem Thema "faires Konsumieren" zu beschäftigen sei kompliziert und zeitaufwändig. "Gerade weil es viel Know-How erfordert und weil die Ketten kompliziert und lang sind, ist der Gesetzgeber gefragt, und sind Unternehmen gefragt und in der Verantwortung."

Erste Ansätze

Allerdings wissen viele Unternehmen selbst nicht, woher ihre Rohstoffe genau kommen. Susanne Jordan glaubt, dass die großen Firmen auch kein Interesse daran haben, an den Prozessen etwas zu ändern. Deshalb hat die gelernte Geografin aus Bayern selbst versucht, ein faires Produkt zu entwickeln: eine Computermaus. Erst da wurde ihr richtig bewusst, wie komplex die Kette ist, die durch einen so einfachen Gegenstand ausgelöst wird.

"Die Montagearbeiten, das Löten, die Herstellung des Gehäuses, das ist bei uns alles fair", erklärt sie im Interview mit der Deutschen Welle. Von den Bauteilen seien wohl zwei Drittel zu fairen Bedingungen hergestellt, "aber dann gibt es noch Vorbauteile, und Vorvorbauteile, und dann kommen die Rohstoffe." Über dieses Material gebe es kaum Informationen, entweder weil die beteiligten Firmen sie zurückhielten, oder weil sie den Ursprung selbst nicht kennen würden, da sie die Teile über Zwischenhändler einkauften.

Ernüchterung

"Ich nehme an, dass die Metalle in der Maus nicht fair sind", ist Susanne Jordan enttäuscht. Aber sie will weiter daran arbeiten, ihre Computermaus noch fairer zu machen. An ein zu hundert Prozent faires Produkt glaubt sie selbst nicht, hofft aber, dem möglichst nahe zu kommen. Die Maus ist schon jetzt erhältlich und kostet etwa doppelt so viel wie vergleichbare Produkte.

Kinderarbeit in der indischen Textilindustrie (Foto: dpa)
In Indien arbeiten Kinder in der TextilindustrieBild: picture-alliance/Godong

Einen ähnlichen Ansatz hat eine Firma aus den Niederlanden gewählt. Sie will im Sommer mit der Produktion eines Fair-Trade-Smartphones beginnen. Das nötige Geld hat sie über verbindliche Vorbestellungen zusammen bekommen. Aber auch dieses Start-Up verspricht kein Produkt, das komplett unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und guten Umweltstandards zusammengesetzt wird, sondern ein "möglichst faires" Handy.

Für Expertin Sabine Ferenschild ist deshalb Transparenz die einzig denkbare Lösung im Kampf gegen Sklaverei und für faire Produkte. Alle Firmen müssten ihre Lieferketten offenlegen. Die meisten müssten dazu allerdings politisch gezwungen werden.