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Bin Ladens Bodyguard

Arnd Riekmann8. August 2012

Ein mutmaßlicher Ex-Leibwächter von Al-Kaida-Führer Bin Laden lebt seit Jahren in Deutschland. Behörden halten den 36-Jährigen für gefährlich. Alle Versuche ihn anzuklagen oder auszuweisen waren bislang vergeblich.

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Salafist Sami. A Foto: Matthias Graben (WAZ)
Bild: Matthias Graben/WAZ

Seit acht Jahren schon ist der Tunesier Sami A. in Bochum zuhause. Unbehelligt lebt der 36-Jährige mit Frau und Kindern in der nordrhein-westfälischen Stadt. In der Nachbarschaft heißt es, dass er unauffällig sei. Doch offenbar ist der Familienvater kein unbescholtener Bürger. "Wir stufen Sami A. als einen gefährlichen Prediger ein", sagte am Montag (06.08.2012) der Präsident des zuständigen Landesverfassungsschutzes, Burkhard Freier. Seine Behörde hat Sami A. schon seit acht Jahren im Visier.

Auch die Bundesanwaltschaft, auf dem Gebiet des Staatsschutzes die oberste Strafverfolgungsbehörde Deutschlands, hat bereits gegen den Tunesier ermittelt. Es gab einen Anfangsverdacht, Samir A. könne Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung sein. Doch im Mai 2007 wurde das Verfahren wieder eingestellt. Der Tatverdacht ließ sich damals nicht ausreichend erhärten. Und das hat sich bis heute nicht geändert: "Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine in die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft fallende Straftat sind der Bundesanwaltschaft hinsichtlich dieser Person seitdem nicht bekannt geworden", teilte der Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe auf DW-Anfrage mit.

Osama bin Laden Foto: AP
Osama bin LadenBild: AP

Wie der WAZ-Zeitungskonzern berichtet, soll Sami A. in Bochumer Moscheen junge Muslime für den "Heiligen Krieg" angeworben haben. In diesem Zusammenhang soll er auch für die Radikalisierung von zwei Mitgliedern der sogenannten Düsseldorfer Al-Kaida-Zelle verantwortlich sein.

Bochum und die Düsseldorfer Zelle

Laut WAZ hatte Sami A. den beiden Männern in Bochumer Moscheen Unterricht erteilt. Und er soll dem 21-jährigen Amid C. aus Bochum und dem 28-jährigen Halil S. aus der Nachbarstadt Gelsenkirchen das ideologische Rüstzeug für ihre mutmaßlichen Terrorpläne vermittelt haben. Beide stehen in Düsseldorf vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, gemeinsam mit zwei Komplizen, einen Anschlag geplant zu haben. Laut Anklage wollten sie eine Splitterbombe in einer Menschenmenge zünden und auf diese Weise "Angst und Schrecken in Deutschland verbreiten".

Doch nach Angaben des Sprechers der Bundesanwaltschaft ist nicht Sami A. für die Rekrutierung der Düsseldorfer Zelle verantwortlich gewesen, sondern deren Mitangeklagter Abdeladim El-K.

Im Internet war bis Montag noch ein Video zu sehen, in dem Samir A. den Islam predigt und dabei eine radikale Haltung einnimmt: Familienangehörige, die nicht richtig glaubten, verkündete der Salafist darin, gehörten nicht zur Familie. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte in einem Fernsehmagazin einen Ausschnitt des Videos gezeigt. Viele andere Medien recherchieren jetzt in dem Fall. Inzwischen ist der Clip aus dem Netz verschwunden: "Dieses Video wurde vom Nutzer entfernt", heißt es auf der Internetplattform Youtube.

"Abstruse Vorstellungen"

Unter Muslimen in Bochum ist Sami A. kein Unbekannter. Aus der Bochumer Khaled-Moschee heißt es, der Tunesier werde dort nur als Besucher geduldet. Predigen dürfe er nicht. Seine Vorstellungen vom Strafenden Gott seien zu abstrus, sagte Ahmed Aweimer von der Khaled-Moschee dem WDR. Doch er bestätigt auch, dass diese Bochumer Moschee früher von einem mutmaßlichen Mitglied der Düsseldorfer Terrorzelle besucht wurde. Mehr sei nicht bekannt. Also auch nicht, ob sich die Terrorverdächtigen dort mit Sami A. getroffen haben oder von dem Tunesier radikalisiert worden seien. Wenn die Vorwürfe sich bestätigen sollten, werde Sami A. ein sofortiges Hausverbot bekommen, so Aweimer im WDR: "Wir müssen unsere Jugendlichen schützen, wir müssen auch unsere Gesellschaft schützen."

Ahmad Aweimer in der Bochumer Khaled-Moschee Foto: Oliver Berg (dpa)
Ahmad Aweimer in der Bochumer Khaled-MoscheeBild: picture-alliance/dpa

Die Khaled Moschee war schon öfter in die Schlagzeilen geraten. Auch Ziad Jarrah, einer der Attentäter vom 11. September 2001, soll hier einst gebetet haben. Es scheint kein Zufall zu sein, dass Bochum offenbar immer wieder gewaltbereite Islamisten anzieht. Die Stadt sei seit den 1970er Jahren ein Zentrum für politische Flüchtlinge aus islamischen Ländern gewesen, sagt Stefan Reichmuth, Professor für Orientalistik und Islamwissenschaften an der Universität Bochum. Dafür, dass es ausgerechnet im liberalen Deutschland extremistischen Predigern immer wieder gelingt, muslimische Studenten zu radikalisieren, hat Reichmuth eine andere These: Er spricht von einer "diffusen Moschee-Struktur für arabische Muslime". Es herrsche keine Aufsicht. Prediger hätten oft die Möglichkeit, da in Lücken zu stoßen, so Reichmuth im DW-Interview. "Und so kann jemand sich in einer Moschee Gehör verschaffen, wenn er als Araber Korankurse gibt oder etwas anderes."

Stefan Reichmuth von der Ruhr-Universität Bochum Foto: Dominik Asbach
Stefan Reichmuth von der Universität BochumBild: Dominik Asbach

Die Stadt Bochum hatte bereits versucht, Sami A. nach Tunesien abzuschieben. Die Ausweisungsverfügung wurde allerdings vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen aufgehoben - unter anderem, weil Sami A. mit einer Deutschen verheiratet ist und das Paar drei gemeinsame Kinder hat. Die Stadt hat Berufung eingelegt. Nun muss das Oberverwaltungsgericht Münster darüber entscheiden, ob Sami A. in sein Heimatland abgeschoben werden darf.